Feuerprobe für die Partnerschaft: Wenn Frauen mehr verdienen als ihre Männer
Es war wieder einer dieser gemütlichen Abende geplant, ein befreundetes Pärchen bei uns zuhause, also wir vier Erwachsene ganz ohne unsere Kinder, mit dem festen Entschluss, heute mal nur Erwachsenengespräche zu führen, über Filme, Hobbies, dies und das – bloß keine Themen rund um die lieben Kleinen. Und doch drehte sich letztendlich wieder alles um Erziehung und die dazugehörigen Probleme.
Unser Freund und das moderne Rollenbild
Unser Freund, ein attraktiver Mann Mitte 40, Hochschulabschluss, langjähriger Fernsehjournalist, gutverdienend und voll emanzipiert. Er hat seine Karriere auf Eis gelegt, damit seine Frau, die ebenfalls in der TV-Branche einen hochrangigen Posten bekleidet, nach der Karenz wieder voll beim Sender einsteigen kann. So hält er ihr im Haushalt den Rücken frei, wie es sich fürs moderne Rollenbild gehört, um ihr den Vollzeitjob zu gönnen, die Selbstverwirklichung, die Karriere.
Dafür will er sich um die Kinder kümmern und auch endlich an seiner Idee für ein Drehbuch schreiben.
Bloß die Zeit fürs Drehbuchschreiben, findet er nicht. Kennen wir. Kein Tag im Büro ist so anstrengend wie einer mit kleinen Kindern zuhause.
Unser Freund liebt die Idee der Vaterschaftszeit und er akzeptiert, dass seine Frau nun mehr verdient als er. Doch er leidet.
Es schmeckt ihm nicht, dass sie den letzten Familienurlaub komplett alleine finanziert hat. Er fühlt sich als Anhängsel, wenn sie ihn zu einem Abendessen mit KollegInnen mitnimmt und jeder über seine neuesten Projekte redet, während er beruflich auf der Stelle tritt. Er sieht nicht gut aus. Draußen vor der Tür erzählt er mir, dass er sich aus lauter Neid ihre Beiträge im TV nicht mehr ansehen wolle und er sich auch ihre Geschichten aus dem Büro nicht mehr anhören mag, wenn sie abends heimkommt. Dabei wisse er selbst nicht, was da eigentlich mit ihm los sei. Geld und Karriere seien ihm doch eigentlich nie so wichtig gewesen.
Doch jetzt hat er ein Problem.
Armer Mann, was nun?
Wenn Frauen mehr verdienen als ihre Männer, kann diese schöne Tatsache zur Feuerprobe für die Beziehung werden. Für einen Mann ist es generell schwer, nicht der Ernährer zu sein. Das widerspricht dem Männlichkeitsbild.
Besonders erstaunlich aber war an diesem Abend zu erfahren, dass auch die Frau unseres Freundes zu leiden schien.
Wenn es rein nach ihren Gefühlen ginge, erzählte sie mir in der Küche unter vier Augen, so würde sie gern wieder die Rollen tauschen, würde lieber zuhause sein, Windeln wechseln, am Teppich mit den Bausteinen Türme stapeln, auf den Spielplatz mitgehen und den Babybrei füttern. Also wächst auch auf ihrer Seite innerlich der Neid. Außerdem, nerve es ganz schön, dass sich in den letzten Wochen die Rechnungen daheim häuften, Kindergartengeld, Mieterhöhung, alles müsse sie bezahlen. Das setze sie schon ordentlich unter Druck. Komisch – einen Mann habe ich so noch nie klagen gehört.
Arme Frau, was nun?
Frauen denken oft noch: Meins ist meins, und seins ist unseres. Ist das etwa der Stand der Gleichberechtigung im Jahr 2022?
Der Mann, der es nicht ertragen kann, wenn seine Frau mehr Erfolg und mehr Geld hat als er - und die Frau, eine Pseudoemanzipierte, die in Wahrheit lieber weiterhin versorgt werden will?
Wenn man den Vorhersagen amerikanischer Paarpsychologen und Scheidungsanwälten glaubt, folgen Beziehungen, in denen sie ihn beruflich überflügelt, oft demselben Muster: Je erfolgreicher die Frau wird, desto kleiner fühlt sich der Mann. Und das wirkt sich eben nicht gerade positiv aufs Zusammenleben aus. Vom immer heikleren Thema des Sexuallebens mal ganz abgesehen. Wenn der Erfolg fehlt, sinkt auch die Lust, ganz klar.
Dabei könnte es doch so schön funktionieren
Die Weichen sind gestellt. Viele Frauen vor uns haben hart dafür gekämpft. Keine Frau muss heute mehr von einem Mann finanziell abhängig sein. Und doch kann sie sich scheinbar auch nicht ganz von dem erlernten männlichen Ernährermodell lösen.
Wie soll’s weitergehen? Es gibt drei Möglichkeiten:
#1 Wir verharren weiterhin in der alten Rollenbilderkultur, ein bisschen lockerer natürlich, mit Papamonat und so.
#2 Beide Seiten arbeiten an sich und schaffen es, ihren Neid aufeinander abzulegen, was wohl noch ein paar Generationen dauern wird (Tipp: drei Konten anlegen, ein privates für ihn, eins für sie und ein gemeinsames, auf das jeder monatlich einen bestimmten Prozentsatz seines Gehalts einzahlt und von dem Allfälliges für Kinder, Haus und Auto bezahlt wird)
#3 Wir teilen uns Job und Kinderbetreuung als Phasen abwechselnd auf und könnten projektbezogen arbeiten. Mal nimmt er einen Auftrag an, dann wieder sie, mal verdient er, dann wieder sie. Und vieles ist heute zum Glück schon im Homeoffice machbar. So könnten wir den Kindern vorleben, dass Haushalt und Beruf Mann und Frau gleichermaßen angeht, ihnen zeigen, dass auch Mama einen Job hat und ins Büro muss, also mal weg ist und abends heimkommt. Und fürsorgliche Papas am Spielplatz würden noch viel selbstverständlicher sein.
Zugegeben für letzteren Punkt müssten auch die Firmen und Arbeitgeber ihre Strukturen überdenken. Damit Paare frei wählen können, welches Familienmodell für sie das richtige ist, stehen also auch die Arbeitgeber in der Pflicht.
Und dann bräuchte es gerade in den sozialen Berufen, in denen viele Frauen arbeiten, höhere Löhne. Das Gespräch mit unseren Freunden an diesem Abend hat mich lange beschäftigt.
Ist unser modernes Rollenbild-Modell auf Dauer zum Scheitern verurteilt? Definiert sich Männlichkeit immer noch instinktiv über die Höhe des Gehalts?
Einem Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge hat eine Studie der britischen Ökonomin Joanna Syrda aus dem Jahr 2020 ergeben, dass bei der Untersuchung von mehr als 6000 heterosexuellen Paaren in Nordamerika die höchsten Stresswerte beim Mann nicht etwa dann anfielen, wenn der Druck des Alleinversorgers auf ihm lastete, sondern in den Fällen, in denen die Frau mehr verdiente als der Mann! Er fühlte sich traurig und wertlos. Am wohlsten fühlte sich der Mann übrigens, wenn die Frau etwa 40 Prozent zum Haushaltseinkommen beitrug.
Grund sei die Verschiebung der Machtverhältnisse und die Angst des Mannes, verlassen zu werden.
Wobei er damit gar nicht so falsch liegt. Denn viele finanziell potente Frauen gaben in Umfragen zu, dass sie langfristig den Respekt vor dem beruflich erfolgloseren oder weniger motivierten Partner verloren hätten. Infolge dessen kam es sogar bei einigen zu jenem Verhalten, das man eigentlich eher von erfolgreichen Männern kennt. Die Frauen begannen Affären.
Männer wie Frauen müssen dringend Gewohntes in Frage stellen und für sich herausfinden, welche Väter und Mütter sie sein möchten.
Journalist und Elternblogger Fabian Soethof schreibt in seinem Buch „Väter können das auch! Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu erleben“, auch Väter würden unter den festgefahrenen Rollenbildern leiden. „…weil viele von ihnen vielleicht wirklich gerne mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen – Statistiken belegen das –, sie aber glauben, dies nicht zu können. Der Financial Load liegt großteilig auf ihren alleinigen Schultern. (…) Klar, sie bringen das Geld nach Hause. Aber ob sie auf dem Sterbebett bereuen werden, nicht genug gearbeitet zu haben? Und ob sie ihre Frau wirklich den ganzen Scheiß alleine machen lassen wollen? Ich bezweifle das beziehungsweise hoffe inständig, dass es eigentlich anders ist.“
Willkommen im 21. Jahrhundert.
Und wie verteilt ihr eure Aufgaben in eurer Familie?