Fasten für die Seele und das Nervenkorsett
Habt ihr schon Überlegungen gemacht, ob und was ihr heuer fasten wollt? Süßes und Alkohol, Fernsehen und das Smartphone, das sind die naheliegenden Dinge – vermutlich in allen Familien. Wir wollen etwas wählen, dass uns im Familienleben gut tut und wollen "Konfliktfasten".
Wir haben uns gefragt: Welcher Verzicht bringt uns als Familie wirklich was? Wie merken wir am besten, dass es reicher machen kann, wenn man auf etwas verzichtet?
Die halbe Stunde Mittagsschlaf, während die Kinder fernsehen und die Streitquote sehr gering ist, die brauche ich wirklich dringend. Darum will ich mich nicht bringen. Das mit dem Süßen könnte besser klappen. Aber ich sehe schon vor mir, dass es nicht einfach werden wird, dies auch durchzuhalten und durchzusetzen und die Kids zu einem Erfolgserlebnis zu führen. Wenn es auch wirklich empfehlenswert für die Gesundheit und das Körperbewusstsein ist, wichtiger war und ist mir da unser aller Seelenbewusstsein.
Und da die Homeschool + Homekindergarten + Homeoffice-Phasen trotz privilegierter Wohnverhältnisse und zweier Elternteile mit pädagogischer Ausbildung (oder wegen?) auch unsere Familie teilweise an die Grenzen brachte, fragten wir uns 2020 vor allem:
Wie können wir unsere Nerven schonend fasten?
Gemeinsam mit den Kindern hielten wir also Familienrat und überlegten uns, STREITEN zu fasten. Zugegeben, das ist durchaus auch eine Challenge. Vor allem wenn man zwei Jungs hat, die beide sehr starke Persönlichkeiten sind, wo keiner klein beigibt. Was an und für sich großartig ist und wofür ich sehr dankbar bin!
Was zählen wir als Verzicht? Es war schnell klar, dass wir nicht nur harmonische Tage besonders hervorheben wollen, sondern auch Tage, an denen zwar gestritten wird, aber eine gute Versöhnung erfolgt. Ich meine damit nicht das erzwungene, automatisierte "Tschuldigung". Sondern eines, bei dem man etwas „spürt.“
Wie wollen wir die Erfolge sichtbar machen?
Mir war und ist wichtig, kein schlechtes Gewissen zu erzeugen, wenn es einmal nicht klappen sollte. Ich möchte vielmehr, dass wir jeden kleinen Erfolg auf dem Weg nach Ostern bewusst wahrnehmen und daran wachsen können. Beim Abendessen besprachen wir dann den Tag und entschieden gemeinsam, ob er so gelaufen ist, dass er für unser Vorhaben zählt, oder nicht. Und darüber, wie schön denn so ein Tag ohne Streit sein kann und wie gut es tut, sich zu versöhnen. Eigentlich waren sich die Kinder dabei immer einig und hatten auch dieselbe Einschätzung wie wir Eltern.
2020 durften die Jungs für jeden Tag ohne Streit bzw. für jeden Tag mit gelungener Versöhnung eine bunte Murmel in ein schönes Glas werfen. Als zusätzlichen Ansporn versprachen wir den Kids dann, für jede Murmel eine Kugel Eis im Sommer. (Wir haben gar nicht geschafft, so viel Eis „zusätzlich“ zu essen …)
2021 habe ich bunte Blumen aus Moosgummi besorgt. Alle vier durften wir uns dann am Abend eine Blume aussuchen und auf die Glasfront im Esszimmer kleben. So entstand bis Ostern eine farbenfrohe Blumenwiese, die zumindest mich immer wieder schmunzeln ließ, sodass ich sie erst vor Weihnachten – schweren Herzens – abnahm. Um für die selbstgebastelten Sterne Platz zu machen.
Und was fasten wir heuer?
Wir haben noch keinen Familienrat gehalten. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir uns wieder dafür entscheiden, das STREITEN zu fasten. Weil es uns allen gut tut, einmal im Jahr ganz außerordentlich besonders auf unseren Umgang miteinander zu achten. Um zu spüren, wie wertvoll ein Tag ohne Streit ist und ein Tag mit Versöhnung ebenso. Und außerdem sehen die Blumen am Fenster so schön aus – aber ohne Verknüpfung zu den gelungenen Tagen sind sie witzlos.