Interview – Gewaltfreie Kommunikation Part 2

Die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Im Gespräch mit Mag.a Hanna Grubhofer und Ing. Claus Hollweck.

Im ersten Teil des Interviews wurde die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) bereits vorgestellt. Im zweiten Teil soll es darum gehen, inwiefern uns diese Methode in der Krise helfen kann.

Kann uns diese Methode jetzt in der Krise helfen? Und wie kann ich sie erlernen?

Claus: Die beste Methode die Gewaltfreie Kommunikation zu lernen sind Übungsgruppen, in denen individuell und vor allem praxisorientiert geübt werden kann. Darüber hinaus ist die GFK ein längerfristiger Prozess. Ich bin seit 4 Jahren Trainer und auch mir bietet das Leben noch ausreichend Übungsmöglichkeiten.

Anderseits ist die einzige Voraussetzung für das Erlernen der GFK die Bereitschaft überhaupt dafür offen zu sein. Jetzt in der Krise bestehen sehr viele Übungsfelder, es herrscht viel Angst und viele Menschen brauchen gerade jetzt ein emphatisches, offenes Ohr.

Hanna: Ich bin ein Mensch, der sehr gerne liest und sich so neue Methoden erarbeitet, für mich sind die Bücher von Marshall Rosenberg eine gute Basis. Speziell für Familien habe ich das Buch „Zauberbuch Familienfrieden“ und „Zauberbuch Familienfrieden konkret“ geschrieben, eine Mischung aus der „Methode“ und vielen praktischen Beispielen sowie Übungsmöglichkeiten für den eigenen Alltag.

Wichtig ist, dass man mit „Mäuseschritten“ beginnt, sich z.B. eine Situation her nimmt, die einen ärgert und sich überlegt: Was genau ärgert mich? Und weshalb fühle ich mich so, was bräuchte ich? Wenn ich weiß, was ich brauche, kann ich mir Strategien überlegen, die mein Bedürfnis erfüllen und einen Realitätscheck machen, ob sie auch alltagstauglich sind. Wichtig dabei ist, dass ich mich selbst nicht überfordere oder mir keinen Druck mache, etwas Neues zu lernen, wenn ich schon an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit bin.

Der schönste/schwierigste Moment in Ihrer Tätigkeit als TrainerIn?

Claus: Mein schönster Moment war im Rahmen meiner Tätigkeit als Mathe-Lehrer, als ich mein Wissen bei zwei Burschen einfließen lassen konnte, die sich gegenseitig mobbten. Durch das Gespräch mit beiden konnte so verhindert werden, dass sie von der Schule flogen. Sie wurden zwar nicht die besten Freunde, aber ich konnte verhindern, dass die Situation eskaliert.

Mein schwierigster Moment war als in einer Übungsgruppe ein Konflikt zwischen zwei anwesenden Personen entstand. Mit den Inhalten und der Haltung der Gewaltfreien Kommunikation gelang es die wesentlichen Bedürfnisse herausarbeiten und eine passende Lösung für den Abend zu finden.

Hanna: Mein schönster Moment war letztes Jahr als ich einen Workshop zum Thema „GFK und politisches Wirken“ hielt, bei der wir auf die Suche nach den Bedürfnissen hinter den Strategien von diversen politischen Parteien gegangen sind. Vor kurzem habe ich erfahren, dass daraus eine Gruppe entstanden ist, die nach wie vor aktiv ist. Das hat mich unheimlich gefreut, dass da echte Bewegungen entstehen.

Der schwierigste Moment war für mich, als ich mit einer Gruppe von LehrerInnen über Ausgrenzung, Beleidigung und Beschimpfungen sprach und die LehrerInnen Beispiele brachten, die uns allen bewusst machte, dass hier die GFK allein nicht die Lösung ist.

Wir haben uns damals viel damit beschäftigt, wie mit dem Schmerz umgegangen werden kann, wie sich die SchülerInnen und LehrerInnen selbst schützen können und wo sie Hilfe und Unterstützung erhalten.

Ich habe den Eindruck, dass die GFK sehr viel Bewusstsein erfordert, sie setzt voraus, ▪ dass ich mir selbst meiner Gefühle bewusst bin ▪ dass ich weiß, was mir gut tut, was ich jetzt brauchen würde ▪ dass ich auf den anderen eingehen kann, auch wenn ich selbst gerade wütend oder traurig bin.

Claus: Ja, es braucht Mut zur Ehrlichkeit, es braucht das Vertrauen in die Lösung, auch wenn ich sie selber gerade nicht weiß. Doch wenn ich ehrlich bin ist die Lösung meist einfacher, als wenn ich meine Bedürfnisse verneine.

Hanna: Ja, es braucht Bewusstsein und Selbst(er)kenntnis und Ehrlichkeit mit sich selbst. Doch ich muss nicht immer freundlich sein, sondern darf authentisch sein. Wichtig dabei ist, dass ich niemanden verletze, wenn ich z.B. wütend bin. Dass ich die Verantwortung für meine Gefühle bei mir lasse.

Wenn z.B. meinem Kind eine Vase hinuntergefallen ist und ich darüber traurig und wütend bin, dann kann ich das ausdrücken, indem ich sage:

„Ich ärgere mich so wahnsinnig, dass die Vase kaputt ist, weil ich sie von meiner Oma geschenkt bekam und nicht mehr nachkaufen kann.“ Gewalt beginnt da, wo ich mein Kind dafür beschimpfe und schuldig mache.

„Kannst du nicht aufpassen? Ich habe dir doch hundertmal gesagt, dass du nicht laufen sollst.“ Wenn mir die Vase so wichtig ist, dann liegt es in meiner Verantwortung, sie so zu platzieren, dass sie ganz bleibt.

Wut und Traurigkeit Raum geben

Wenn meine Wut und Traurigkeit ihren Raum bekommen hat, kann ich tief durchatmen und zu meinem Kind gehen, das ebenfalls unglücklich ist, weil es die Vase ja nicht kaputt machen wollte. Dann kuscheln und weinen wir zusammen, bis ich merke, dass ich die Vase gut verabschieden kann, da mir die Beziehung zu meinem Kind 100.000 Mal wichtiger ist als irgendein Gegenstand auf dieser Welt.

Wo erhalte ich weitere Informationen?

Der Verein “gewaltfreie Kommunikation Austria“ unterstützt Vernetzung und Austausch sowie bietet einen Überblick über alle Vorträge, Seminare und Übungsgruppen in ganz Österreich zu diesem Thema.

Mag.a Hanna Grubhofer Diplom Psychologin, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation, Mediatorin, Familiencoach, Mutter von 7 Kindern Autorin der Bücher „Zauberbuch Familienfrieden“, „Zauberbuch Familienfrieden konkret“ und „Was brauchst du?“ (Kinderbuch).

Ing. Claus Hollweck Wirtschafts- und Umweltingenieur, Mathematik-Lehrer, Kommunikationstrainer, Vater von 3 Kindern

Literatur:

 Konflikte lösen durch gewaltfreie Kommunikation (Ein Gespräch mit Gabriele Seils) Autor: Marshall Rosenberg

 Was brauchst du? Mit der Giraffensprache und Gewaltfreier Kommunikation Konflikte kindgerecht lösen? (SOWAS!) Autorinnen: Hanna Grubhofer, Sigrun Eder * Illustratorin: Barbara Weingartshofer ISBN: 978-3-99082-022-3 € 19,90A Link:

 Herr Rosenberg und die Kaffeetasse: Berührende Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation Autorin: Gundi Gaschler

 Sei nicht nett, sei echt! Gleichgewicht zwischen Liebe für uns selbst & Mitgefühl. Handbuch für Gewaltfreie Kommunikation Autorin: Kelly Bryson

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