Mamaglück und Arbeitslust – Erlaube dir, dein Leben zu leben
In der Serie „Mamaglück und Arbeitslust“ geht es um Mütter, die gerne Mama sind und auch gerne arbeiten gehen. Diesmal liegt der Fokus nicht auf einer einzelnen Lebenslage, sondern auf der allgemeinen Situation von berufstätigen Müttern. Daher habe ich Karin Roth (oben im Bild) zu ihren Erfahrungen in der Lebens- und Sozialberatung befragt. Sie macht Mut, die Suche nach guten Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zu schnell aufzugeben.
Liebe Karin, du bist selber Mama und als Beraterin immer wieder mit Müttern im Gespräch. Stell dich bitte kurz vor.
Ich bin seit 35 Jahren verheiratet, habe 4 erwachsene Kinder, 5 Enkelkinder und einen Hund. Beruflich leite ich die Ombudsstelle der Erzdiözese Salzburg für sexuellen Missbrauch und Gewalt. Außerdem habe ich eine Beratungspraxis für Lebens- und Sozialberatung und halte Trainings und Seminare.
Im Grunde geht es mir darum, Menschen zu helfen, ihr Potenzial zu entdecken und zu ergründen, was diesem entgegensteht. Man könnte auch sagen: Ich helfe, zurückzufinden zu der Person, die ich war, bevor mir das Leben passiert ist. Darauf fokussiere ich gerne in meinen Beratungen.
Ganz allgemein, wie erlebst du Mamas, die arbeiten?
Zuerst braucht es eine Differenzierung: Berufstätige Mütter, die zu mir in die Beratung kommen, sind meist Frauen in einer Krise bzw. aus allgemein instabilen Verhältnissen. Es kommen z.B. Alleinerzieherinnen ohne feste Beziehung, wo die Finanzen nicht reichen. Da werden ganz andere Themen relevant, als bei Frauen mit stabilen Beziehungen, wo z.B. auch der Partner oder die Großeltern gern einmal die Kinder übernehmen.
Darf ich mein Leben leben oder muss ich es ganz opfern?
Bei Frauen mit stabilen Familienverhältnissen gibt es dennoch ein Grundthema bei der Frage nach der Berufstätigkeit: „Darf ich das? Darf ich es meiner Familie zumuten, dass ich arbeiten gehe? Schade ich meinen Kindern dadurch?“ Im weitesten Sinne fragen sie sich: „Darf ich mein Leben leben oder muss ich es ganz opfern?“ Extrem formuliert scheint es irgendwie so eine Hypothese zu geben, die heißt: Mütter müssen Märtyrer sein. Das findet man nicht unbedingt nur in christlichen Familien, sondern überall dort, wo das Ideal da ist, dass der Papa arbeiten geht und die Mama zuhause bleibt.
Wie kommt es dazu, dass Mütter eine Märtyrerhaltung einnehmen?
Auf die Grundfrage: „Was kann ich meinen Kindern zumuten?“ folgt oft der überhöhte innere Auftrag, ich müsse meine Kinder vor jeglichem Leid, vor jeder Enttäuschung und vor Schmerz bewahren.
Es ist stattdessen viel wichtiger, ihnen zu helfen durch Enttäuschungen zu gehen. Wenn jemand lebensfähig werden soll muss man ihm das Leben auch zumuten.
Darauf schauen Mamas heutzutage, aber auch ältere Mütter bzw. Großmütter. Sie stellen sich unaufhörlich die Frage, ob sich das Kind nicht wohl fühlt, wenn es nicht bei ihnen ist. Oder sie fragen sich, ob es Schaden nimmt, wenn der Papa oder die Oma zwei Tage pro Woche aufpassen. Es ist ein Paradigma, das unsere Kultur mitgibt. Natürlich ist es auch Aufgabe der Eltern, die Kinder zu schützen und zu bewahren, aber eben nicht vor allem. Es ist stattdessen viel wichtiger, ihnen zu helfen durch Enttäuschungen zu gehen. Wenn jemand lebensfähig werden soll, muss man ihm das Leben auch zumuten.
Wie kann es gelingen, Familie und Beruf gut zu vereinbaren?
Zuerst ist es wichtig, gut auf sich zu schauen. Eine der größten Tragödien für Kinder ist das ungelebte Leben der Eltern. Wenn Mütter in ihren Rollen zuhause unglücklich sind, kann leicht so ein Unterton von Unglück entstehen: „Wegen dir lebe ich mein Leben nicht.“ Das ist für Kinder viel schlimmer, als einen Nachmittag woanders zu verbringen. Daher ist es wichtig, sich als Mama nicht ganz zu verlieren. Dabei kann sie ein gutes Vorbild sein: So wie ich lebe, wünsche ich es mir auch für meine Kinder. Ich will, dass mein Kind gut bei sich ist und seine Stärken auslebt. Ich bin ein Vorbild für sie.
Eine der größten Tragödien für Kinder ist das ungelebte Leben der Eltern.
Alles ist wesentlich leichter, wenn ein Unterstützungsnetz da ist. Da geht man als Mama natürlich ganz anders außer Haus, als wenn die Kinder in eine Tagesstätte müssen, in die sie vielleicht nicht wollen. Aber ich glaube schon, dass sich Mütter zu wenig erlauben, gute Lösungen zu finden und stattdessen schnell in die Rolle des Ausgleichens und Umsorgens schlüpfen. Vielleicht ist es aber sinnvoller ein Unterstützungsnetz mit Omas, Freunden oder Tagesmüttern aufzubauen und somit nach alternativen Lösungen für die Kinderbetreuung zu suchen. Das kann zwar auch herausfordernd sein, aber am Ende für alle passen.
Ich glaube schon, dass sich Mütter zu wenig erlauben, gute Lösungen zu finden und stattdessen schnell in die Rolle des Ausgleichens schlüpfen.
Hilfreich ist es natürlich außerdem, am eigenen Anspruch zu schrauben: Wenn ich als Mama den Anspruch habe, ich putze alles selber, backe zu Weihnachten 15 Kekssorten und bin in der Arbeit super, bleibe ich selber schnell auf der Strecke.
Wie entsteht dieser hohe Anspruch?
Ich denke Frauen haben mehr Druck als Männer. Frauen wird grundsätzlich Reproduktionsarbeit, also die Fürsorge in jedem Bereich zugeschrieben: die Fürsorge für die alten Eltern, die eigenen Kinder und es sind auch die Frauen, die die Blumen am Tisch dazustellen. Es gibt da eine starke Doppelbelastung.
Frauen wird grundsätzlich Reproduktionsarbeit zugeschrieben.
Mir fällt dazu ein Beispiel ein, wo beide Elternteile schon viele Jahre lang berufstätig sind. Die Mama beschrieb mir die Reaktionen mancher Leute, die über den Papa staunen: Es sei so großartig, dass er einkaufen und mit den Kindern zum Arzt gehe oder auch mal das Bad putze. Sie sagt: „Wo ist der Unterschied? Ich gehe auch arbeiten. Bei mir sagt niemand WOW.“
Doch offensichtlich ist die Frau trotz einer Berufstätigkeit automatisch für alles andere zuständig. Beim Mann ist es ein Bonus und er wird gelobt. Vor allem wenn beide berufstätig sind, sollte es normal sein, dass man sich die anderen Aufgaben wie z.B. Hausarbeit und Kinderbetreuung aufteilt. Beide sind dann zuständig für alles.
Dabei gibt es den Begriff Halbe-Halbe schon ziemlich lange…
In den Medien wird es thematisiert, aber die Realität ist: Ganz viele Frauen bleiben zuhause oder haben Teilzeitjobs, weil ihre Jobs weniger Geld einbringen. In der Gesellschaft ist es nicht wirklich gelandet, dass beide auch für die Aufgaben in Haushalt und in der Kinderbetreuung zuständig sind. Natürlich gibt es eine Entwicklung im Vergleich zu 50 Jahren. Aber es ist noch ein Weg vor uns.
Ein Ergebnis meiner Interviews war, dass es viel leichter ist, wenn man seinen Beruf gern macht und vielleicht sogar Energie daraus schöpft. Wie kommt man zu einem Beruf, den man gern macht?
Dafür gibt es keine Patentrezepte, weil es von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Am ehesten sind Leute in ihrem Job glücklich, wenn der Job zu ihnen als Person passt. Wenn ich in der Arbeit Werte verwirklichen kann, die mir wirklich wichtig sind, gibt mir das Kraft. Die größte Hilfe ist, sich selber gut zu kennen und gut wahrzunehmen:
- Was sind meine Bedürfnisse?
- Was sind meine Werte?
- Was möchte ich in die Welt bringen?
- Wie möchte ich das machen?
Es lohnt sich, in diese Fragen zu investieren. Doch das würde wahrscheinlich einen eigenen Blogartikel füllen… ☺