Mit Kindern differenziertes Denken üben

Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Doch die vielen Graustufen können Kinder und natürlich auch Erwachsene überfordern. Es führt aber kein Weg daran vorbei, dass man sich mit auseinandersetzt.

Einordnung ist wichtig. Sie geschieht meist, etwa bei einem fremden Menschen, in Sekundenschnelle. Ist der gegenüberstehende Mensch sympathisch, mir wohlgesonnen oder nicht? Das ist nicht nur normal, sondern manchmal auch überlebensnotwendig.

Umso wichtiger ist es einen Schritt zurückzutreten und mit Kindern zu diskutieren. Nicht darüber, dass sie ihren Instinkten misstrauen sollten, sondern darüber, dass es sowohl so etwas wie eine „zweite Chance“ geben sollte als auch mehrere Perspektiven auf Sachverhalte in der Welt.

Mehr noch, dass Vieles, das sie wissen und erfahren, auch medial vermittelt ist.

Was also im unmittelbaren Kontakt stimmen mag, beispielsweise die genannte Sympathie oder Antipathie, ist bei medial vermittelten Kontakten und Eindrücken gänzlich anders. Die damit vermittelten Erfahrungen kommen nicht kontextlos, die Eindrücke sind nicht ungefiltert. Medien selektieren, wählen aus und sind manchmal auch voreingenommen. Nur war ein gewisser amerikanischer Präsident, dessen Amtszeit zu Ende gegangen ist, sicherlich nicht der beste Präsident der Geschichte. Erstaunlich ist aber dennoch, was dabei rauskommt, wenn ein Lehrer nach der Präsidentschafts-Präferenz fragt. In Europa kommt dabei wohl eine überwältigende Mehrheit für Biden zustanden. In den USA wurde das wohl zum Teil in gewissen Gegenden anders ausgehen.

 

Bedingungen auf den Grund gehen

Das dient dabei aber natürlich nur als Beispiel. Was kann man dazu mit Kindern und noch besser mit Jugendlichen diskutieren? Etwa, dass sie diese „Brille“ sehen, die ihnen Medien vorhalten. Medien sind wichtig, sie lenken aber auch. Womöglich ließe sich aber kindgerecht darüber diskutieren, warum es verschiedene politische Einstellungen gibt und welche Gründe für diesen oder jenen Kandidaten sprechen.

Das Zauberwort für all das heißt Perspektive. Vieles, das wir zu wissen glauben und über das wir uns ein Urteil gebildet haben, ist vermittelt und nur ein Ausschnitt aus dem großen Ganzen. Wir müssen mit Kindern also nicht nur verschiedene Meinungen, Ansichten und Argumente akzeptieren und zulassen, sondern wir können uns gemeinsam auf die Spur machen, warum der oder die so denkt, was seine Beweggründe sind und woher er seine Informationen bezieht.
 

Leidenschaftlich streiten…aber auch verstehen

Der damit verknüpfte Begriff ist Diskurs. Diskurs ist der Rahmen der Annahmen innerhalb dessen man etwas als wahr oder unwahr, als gut oder schlecht annimmt. Es geht also um das Bewusstwerden von Diskursen. Noch wichtiger ist, dass man über diese Diskurse in Dialog tritt, sich austauscht.

Kinder und Jugendliche können natürlich leidenschaftlich streiten.

Gerade weil sie glauben, dass ihre Annahmen absolut wahr sind und es gilt diese vehement zu verteidigen. Das ist auch gut so! Das stärkt die Fähigkeit zu argumentieren und die eigenen Argumente zu verteidigen. Aber eine zu strikte Haltung bringt Konflikte hervor, verhindert den wahren Austausch und macht Kinder gegenüber anderen Perspektiven und Haltungen blind. Es geht um Dialog und nicht zuletzt auch um Toleranz. Tolerant ist nur, wer weiß, wo er wo und warum steht und die Bedingungen des anderen auch zugleich verstehen kann. Das wiederum heißt auch, dass man Unsinn und etwa Verschwörungstheorien als das erkennen kann, was sie eben sind: Annahmen, denen jegliche Grundlage fehlt.
 

Zuhause…
 

Es geht also darum zuhause zu diskutieren, zu hinterfragen, vermeintliche Gewissheiten auch mal in Frage zu stellen um zu neuen, vorübergehenden Gewissheiten zu kommen. Zuhause sollte also der Dialog gepflegt werden, die Offenheit von Meinungen. Das führt meiner Ansicht nach automatisch hin zu jungen Erwachsenen, die im differenzierten Denken gut geübt sind und verstehen, dass die Welt eben nicht nur schwarz-weiß ist.

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Weitere Artikel des Autors lesen