Was ist wahre Liebe? Tipps für die Ehe
Wahre Liebe heißt, Gutes zu tun, Fehler zu vergeben, fremde Erfolge zu würdigen oder gut über den Ehepartner zu sprechen. Merkmale der wahren Liebe als Anregung für Ehepaare, angelehnt ans „Hohelied der Liebe“.
Viele kennen das „Hohelied der Liebe“, den „Hymnus“ über die wahre Liebe vom Heiligen Paulus, aus ihrer eigenen Hochzeitsmesse. Der Text wird gerne als Lesung zur Hochzeit verwendet, weil er unvergleichlich treffend beschreibt, was die Liebe ausmacht. Treue und Hingabe seien nur möglich, wenn die Liebe in Ehe und Familie vertieft wird, schreibt Papst Franziskus sinngemäß in seinem Schreiben über die „Liebe in der Familie“ (Amoris laetitia) und greift darin Paulus‘ Hymnus auf, um zu beschreiben, was das praktisch heißen kann. Auszüge aus dem Schreiben (aus Kapitel 4, 89-119) als Anregung für Eheleute.
Das Hohelied der Liebe
„Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig,
sucht nicht ihren Vorteil,
lässt sich nicht zum Zorn reizen,
trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht,
sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles,
glaubt alles,
hofft alles,
hält allem stand.“
(1 Kor 13,4-7)
Die Liebe ist langmütig
Mit Langmut sei nicht gemeint, dass die Liebe „alles erträgt“. Es gehe darum, zu vermeiden, „barsch auf die Schwächen oder Fehler der anderen zu reagieren“. Das Schreiben im Wortlaut: „Langmut zeigt sich, wenn der Mensch sich nicht von seinen Instinkten leiten lässt und vermeidet, jemanden anzugreifen. Es ist nicht wichtig, ob er eine Störung für mich ist, ob er meine Pläne durchkreuzt, ob er mich belästigt mit seiner Seinsart oder mit seinen Ideen, wenn er nicht ganz das ist, was ich erwartete.
Die Liebe hat immer ein tiefes Mitgefühl, das dazu führt, den anderen als Teil dieser Welt zu akzeptieren, auch wenn er anders handeln sollte, als ich es gerne hätte.“
Liebe ist mehr als ein Gefühl
„Im gesamten Text wird sichtbar, dass Paulus betonen will, dass die Liebe nicht nur ein Gefühl ist, sondern in dem Sinn verstanden werden muss, den das Verb „lieben“ im Hebräischen hat, nämlich „Gutes tun“. Auf diese Weise kann sie ihre ganze Fruchtbarkeit zeigen und ermöglicht uns, das Glück zu erfahren, das im Geben liegt, den Edelmut und die Größe einer überreichlichen Selbsthingabe, ohne abzuwägen, ohne Entlohnung zu erwarten, einzig aus dem Wunsch zu geben und zu dienen.“
Liebe kennt keinen Neid
Das Gegenteil der Liebe sei die Eifersucht, der Neid. „Das bedeutet, dass in der Liebe kein Platz ist für Gefühle des Unbehagens gegenüber dem Wohl des anderen (vgl. Apg 7,9; 17,5). Die wahre Liebe würdigt die fremden Erfolge, sie empfindet sie nicht als Bedrohung und befreit sich von dem bitteren Geschmack des Neides. Sie akzeptiert, dass alle unterschiedliche Gaben und verschiedene Wege im Leben haben. Sie versucht also, den eigenen Weg zu entdecken, um glücklich zu sein, und lässt die anderen den ihren finden.
Wer liebt, vermeidet nicht nur, übermäßig von sich selbst zu sprechen, sondern weil er sich auf die anderen konzentriert, versteht er außerdem, an seinem Platz zu bleiben, ohne im Mittelpunkt stehen zu wollen.“
Liebe baut andere auf
„Wer liebt, kann Worte der Ermutigung sagen, die wieder Kraft geben, die aufbauen, die trösten und die anspornen. Das sind keine Worte, die demütigen, die traurig machen, die ärgern, die herabwürdigen. In der Familie muss man diese freundliche Sprache Jesu lernen.“
Liebe sucht nicht ihren Vorteil
„Oft haben wir gesagt, dass man, um die anderen zu lieben, zuerst sich selbst lieben muss. Dennoch behauptet dieser Hymnus an die Liebe, dass diese »nicht ihren Vorteil« bzw. „nicht das Ihre“ sucht. Ein gewisser Vorrang der Eigenliebe darf nur als eine psychologische Voraussetzung verstanden werden, insofern als jemand, der unfähig ist, sich selbst zu lieben, Schwierigkeiten hat, die anderen zu lieben.“
Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen
„Wenn wir erlauben, dass eine böse Empfindung in unser Innerstes eindringt, geben wir jenem Groll Raum, und er nistet sich in unserem Herzen ein. Das Gegenteil ist die Vergebung – eine Vergebung, die sich auf eine positive Haltung gründet, die versucht, die Schwäche des anderen zu verstehen.
Doch gewöhnlich neigt man dazu, immer mehr Schuld zu suchen, sich immer mehr Bosheit vorzustellen, alle Art böser Absichten zu vermuten, und so nimmt der Groll weiter zu und wurzelt sich ein.
Auf diese Weise kann jeder Fehler oder jedes Fallen des Ehepartners das Liebesband und die Beständigkeit der Familie schädigen.“
Liebe trägt das Böse nicht nach – Liebe vergibt
„Wenn wir beleidigt oder enttäuscht wurden, ist die Vergebung möglich und wünschenswert, doch niemand behauptet, das sei leicht. Es ist wahr, »die Familiengemeinschaft kann nur mit großem Opfergeist bewahrt und vervollkommnet werden. Sie verlangt in der Tat eine hochherzige Bereitschaft aller und jedes Einzelnen zum Verstehen, zur Toleranz, zum Verzeihen, zur Versöhnung.
Jede Familie weiß, wie Ichsucht, Zwietracht, Spannungen und Konflikte ihre Gemeinschaft schwer verletzen und manchmal tödlich treffen: daher die vielfachen und mannigfaltigen Formen von Spaltung im Familienleben.
Heute wissen wir, dass wir, um vergeben zu können, die befreiende Erfahrung gemacht haben müssen, uns selbst zu verstehen und zu vergeben. Oftmals haben unsere Fehler und der kritische Blick derer, die wir lieben, uns so weit gebracht, das Wohlwollen uns selbst gegenüber zu verlieren. Das bewirkt, dass wir uns schließlich vor den anderen hüten, die Zuneigung fliehen und in den zwischenmenschlichen Beziehungen Ängste in uns anhäufen. Die anderen beschuldigen zu können, wird dann eine trügerische Erleichterung. Es ist notwendig, mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen, sich selbst anzunehmen, mit den eigenen Begrenzungen leben zu können und auch sich selbst zu vergeben, um diese selbe Haltung den anderen gegenüber haben zu können. Das aber setzt die Erfahrung voraus, von Gott Vergebung empfangen zu haben, unentgeltlich – und nicht aufgrund unserer Verdienste – gerechtfertigt worden zu sein.“
Liebe freut sich an der Wahrheit
„Das heißt, sie freut sich über das Gute des anderen, wenn seine Würde anerkannt wird, wenn seine Fähigkeiten und seine guten Werke zur Geltung kommen. Das ist dem unmöglich, der es nötig hat, sich immer zu vergleichen oder zu wetteifern, sogar mit dem eigenen Ehepartner, bis zu dem Punkt, sich heimlich über sein Scheitern zu freuen. Wenn wir unsere Fähigkeit, uns über das Wohl des anderen zu freuen, nicht nähren und uns vor allem auf unsere eigenen Bedürfnisse konzentrieren, verurteilen wir uns dazu, mit wenig Freude zu leben, denn – wie Jesus gesagt hat – »geben ist seliger als nehmen« (Apg 20,35).
Die Familie muss immer der Ort sein, von dem jemand, der etwas Gutes im Leben erreicht hat, weiß, dass man es dort mit ihm feiern wird.“
Liebe erträgt alles
„An erster Stelle heißt es, dass sie „alles erträgt und entschuldigt“. Das unterscheidet sich von »trägt das Böse nicht nach«, denn dieser Ausdruck bezieht sich auch auf den Gebrauch der Sprache. Er kann bedeuten „Schweigen zu bewahren“ über das Schlechte, das der andere Mensch an sich haben mag. Es schließt ein, das Urteilen einzuschränken, die Neigung zu zügeln, eine harte und schonungslose Verurteilung auszustoßen: Sich damit aufzuhalten, das Bild des anderen zu schädigen, ist eine Methode, das eigene aufzubessern und Groll und Neid abzureagieren, ohne sich um den Schaden zu kümmern, den man verursacht.
Die Ehegatten, die sich lieben und einander gehören, sprechen gut voneinander, versuchen, die gute Seite des Ehepartners zu zeigen, jenseits seiner Schwächen und Fehler.
In jedem Fall bewahren sie das Schweigen, um sein Bild nicht zu schädigen. Das ist aber nicht nur ein äußeres Handeln, ohne dass sie einer inneren Haltung entspringt. Ebenso wenig ist es die Naivität dessen, der die Schwierigkeiten und Schwachpunkte des anderen nicht sehen will, sondern es ist der Weitblick dessen, der diese Schwächen und Fehler in ihren Zusammenhang stellt. Er erinnert sich, dass diese Mängel nur ein Teil und nicht das Ganze des Wesens des anderen sind
Man kann also schlicht und einfach hinnehmen, dass wir alle eine vielschichtige Kombination aus Licht und Schatten sind. Der andere ist nicht nur das, was mir lästig ist. Er ist viel mehr als das. Aus demselben Grund verlange ich nicht von ihm, dass seine Liebe vollkommen sein muss, damit ich ihn wertschätze. Er liebt mich wie er ist und wie er kann, mit seinen Grenzen, doch dass seine Liebe unvollkommen ist, bedeutet nicht, dass sie geheuchelt oder nicht echt ist. Sie ist echt, aber begrenzt und irdisch.“
Liebe glaubt alles
„Aufgrund seines Kontextes darf man dieses „Glauben“ nicht im theologischen Sinn verstehen, sondern im gewöhnlichen Sinn von „vertrauen“. Es geht nicht nur darum, nicht zu argwöhnen, dass der andere lügt oder täuscht. Dieses Grundvertrauen erkennt das Licht, das Gott entzündet hat und das hinter der Dunkelheit versteckt ist, oder die Glut, die immer noch unter der Asche glimmt. Ebendieses Vertrauen macht eine Beziehung in Freiheit möglich.
Es ist nicht nötig, den anderen zu kontrollieren, peinlich genau seine Schritte zu verfolgen, um zu vermeiden, dass er unseren Armen entgleitet. Die Liebe vertraut, lässt Freiheit, verzichtet darauf, alles zu kontrollieren, darauf, zu besitzen, zu beherrschen.
Jemand, der weiß, dass man ihn immer verdächtigt, dass man ihn mitleidlos richtet, dass man ihn nicht bedingungslos liebt, wird vorziehen, seine Geheimnisse zu hüten, sein Fallen und seine Schwächen zu verbergen und das vorzutäuschen, was er nicht ist. Demgegenüber erlaubt eine Familie, in der ein herzliches Grundvertrauen herrscht und trotz allem immer wieder vertraut wird, dass die wahre Identität ihrer Mitglieder hervorkommt, und bewirkt, dass Täuschung, Falschheit und Lüge spontan abgelehnt werden.“
Liebe hofft alles
Liebe „gibt die Hoffnung auf die Zukunft nicht auf. Verbunden mit dem vorhergehenden Wort bezeichnet es die Erwartung dessen, der weiß, dass der andere sich ändern kann. Stets hofft er, dass eine Reifung, ein überraschendes Aufbrechen der Schönheit möglich ist, dass eines Tages die am tiefsten verborgenen Potenzialitäten aufkeimen. Es bedeutet nicht, dass alles sich in diesem Leben ändern wird. Es schließt ein, hinzunehmen, dass einige Dinge nicht so laufen, wie man möchte, sondern dass Gott vielleicht auf den krummen Zeilen des anderen gerade schreibt und aus den Übeln, die er auf dieser Erde nicht zu überwinden vermag, irgendetwas Gutes hervorgehen lassen kann.“
Liebe hält allem stand
Das „bedeutet, dass die Liebe mit einer positiven Geisteshaltung alle Widerwärtigkeiten erträgt. Es bedeutet, mitten in einer feindlichen Umgebung standhaft zu bleiben. Es besteht nicht nur darin, einige ärgerliche Dinge hinzunehmen, sondern ist etwas viel Umfassenderes: eine dynamische und ständige Widerstandsfähigkeit, die imstande ist, jede Herausforderung zu meistern. Es ist Liebe trotz allem, auch wenn der gesamte Kontext zu etwas anderem einlädt. Es zeigt ein gewisses Maß an hartnäckigem Heldentum, an Kraft gegen jede negative Strömung, eine Entscheidung für das Gute, die durch nichts umgeworfen werden kann.
Das erinnert an einige Worte von Martin Luther King, als er sich sogar unter den schlimmsten Verfolgungen und Demütigungen erneut für die Bruderliebe entschied: „Der Mensch, der dich am meisten hasst, hat etwas Gutes an sich; sogar die Nation, die dich am meisten hasst, hat etwas Gutes an sich; sogar die Rasse, die dich am meisten hasst, hat etwas Gutes an sich.“
Im Familienleben muss man diese Kraft der Liebe kultivieren, die es ermöglicht, das Böse zu bekämpfen, das sie bedroht. Die Liebe lässt sich nicht beherrschen vom Groll, von der Geringschätzung gegenüber den Menschen, vom Wunsch, zu beleidigen oder sich zu rächen.
Das christliche Ideal – und besonders in der Familie – ist Liebe trotz allem. Manchmal bewundere ich zum Beispiel die Haltung von Personen, die sich von ihrem Ehepartner trennen mussten, um sich vor physischer Gewalt zu schützen, und die dank der ehelichen Liebe, die über die Gefühle hinauszugehen vermag, trotzdem fähig waren – wenn auch über dritte –, in Momenten von Krankheit, Leiden oder Schwierigkeit für dessen Wohl zu sorgen. Auch das ist Liebe trotz allem.“