Wie erkenne ich eine Lernschwäche bei meinem Kind – Ein Leitfaden für Eltern

Nach der letzten Deutsch-Schularbeit meines Sohnes wusste ich mir keinen Rat mehr. Obwohl die klinisch-psychologische Austestung keinen Hinweis auf Legasthenie ergab, bietet sich jedes Mal dasselbe Bild. Hervorragend aufgebaute und kreative Aufsätze, inhaltlich sowie mit einem großen Wortschatz sehr gut umgesetzt. Jedoch katastrophale Fehler in der Rechtschreibung.

Was zählt zu einer Lese-, Rechtschreib-, Rechen- oder allgemeinen Lernschwäche? Wie lässt sich diese erkennen, um rechtzeitig Unterstützung anbieten zu können?

Im Gespräch mit Sandra Neuhauser, Dipl. Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin
Lerncoach & Pädagogin.

Drei große Bereiche bei Lernschwäche:

Lernschwäche ist nicht gleich Lernschwäche. Generell wird in drei große Bereich unterschieden.

1.) Legasthenie ist laut WHO-ICD11 eine ausgeprägte Lese- und Rechtschreibstörung. Auffällig sind hier meist sehr gute Kenntnisse und Noten in anderen Fächern, wie z. B. in Mathematik. Eine Legasthenie oder Dyskalkulie kann nur von klinischen PsychologInnen befundet werden.

2.) Dyskalkulie meint eine Rechenstörung. Auch hier können in anderen Schulfächern ausgezeichnete Leistungen erbracht werden.

3.) Bei einer generellen Lernschwäche zeigen sich Schwächen in allen Bereichen und eine insgesamt langsamere Lerngeschwindigkeit. Die schwachen Leistungen in Mathematik sind vergleichbar mit den Leistungen im Lesen und Schreiben.

Zu beachten ist, dass eine eventuell vorhandene Dyskalkulie (1-3 %) erst ab dem 6. Lebensjahr, eine Legasthenie (5-8 %) erst ab der 2. Klasse Volksschule diagnostiziert werden kann.

Im Kindergartenalter ist es nur möglich die phonologische Bewusstheit – also beispielsweise die Fähigkeit, des Kindes einzelne Laute oder eine Wortsilbe zu erkennen – sowie mathematisches Vorwissen zu testen. Das macht die Situation so schwierig, da eine möglichst frühe Förderung angestrebt wird.

Abklärung der Ursache

Empfohlener erster Schritt ist immer die Abklärung körperlicher Ursachen (Augenarzt, Ohrenarzt, Neurologe). Erst dann kann nach Testung durch klinische PsychologInnen von einer Lernschwäche ausgegangen werden.

Wie erkenne ich als Laie eine Lernschwäche

Die regelmäßige und konsequente Verweigerung bestimmter spielerischer Tätigkeiten, wie z. B. Wimmelbilder oder Fehlersuchbilder zu Hause können erste Anzeichen sein, dass ihr Kind damit Schwierigkeiten hat.

Jedoch auch regelmäßiges Stören der Gruppe, Provozieren von Aufmerksamkeit, in den Tag hineinträumen oder sozialer Rückzug bereits in jüngerem Alter weisen auf ein eventuell bestehendes Krankheitsbild wie Legasthenie oder Dyskalkulie hin. Genauso von den Kindern beschriebene körperliche Beschwerden wie z. B. unerklärliche Bauchschmerzen oder die komplette Ablehnung von Kindergarten oder Schule.

Probleme trotz wiederholtem Üben

Liegt eine Schwäche vor, nehmen die Anfangsschwierigkeiten beim Lesen-, Schreiben- und Rechnen lernen nicht so schnell ab, wie bei nicht betroffenen Kindern, sondern bleiben bestehen.

Trotz intensiven Übens zu Hause machen Betroffene weiterhin viele Fehler.

Diese können sich durch sprunghafte Unaufmerksamkeit beim Lesen und/oder Schreiben, eine verlangsamte Lesegeschwindigkeit, differenzierte Sinneswahrnehmung – z. B. die Verwechslung von Buchstaben oder Symbolen und das schnelle Vergessen von geübten Wörtern äußern. Wichtig zu wissen ist, dass diese auch zu Misserfolgen in anderen Schulfächern führen!

Zum Lesen, Schreiben und Rechnen benötigen wir verschiedene Teilleistungen. „Phonologische Bewusstheit“ sowie mathematisches Vorwissen lassen sich bereits lange vor dem Schuleintritt spielerisch in den Alltag einbauen und trainieren. Dies fördert die notwendigen Teilleistungsbereiche. Und ermöglicht es uns eine eventuell bestehende Problematik rechtzeitig zu erkennen.

Gemeinsam Zeit verbringen

Kinder spielerisch zu fördern ist schon im Kleinkind- und Kindergartenalter wichtig! Vor allem bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr, aber auch danach, empfiehlt es sich aktiv gemeinsame Zeit zu verbringen, ohne Handy & Co. Dabei eignen sich am besten Spiele aus den verschiedensten Bereichen, welche die Kinder dazu animieren, sich auch mit schwierigeren Aufgaben auseinanderzusetzen. Gemeinsame Erfahrungen machen Spaß und führen zu verbesserten Lernerfolgen.

Lieder, Reime und Silbenklatschen

Übungen zur phonologischen Bewusstheit, wie Reime bilden, Silben klatschen oder Laute vertauschen, sind wichtig für das Erlernen der Buchstaben und damit für das Lesen und Schreiben. Gut eignen sich dafür z. B. die Lieder „Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt eine kleine Wanze.“ (Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt eine kleine Wanz, …) oder „Mein Hut, der hat drei Ecken.“.

Bilderbücher, Vorlesen und Fehlersuchbilder

Vorlesen ist ein wichtiges Ritual, um den Kindern die Freude an Buchstaben, Wörtern, Sätzen und Texten näher zu bringen. Dies führt zwar nicht zwangsläufig dazu, dass Kinder später auch gerne selbst lesen, kann aber einen positiven Anreiz setzen. Auch führt regelmäßiges Lesen allein nicht automatisch zu einer besseren Rechtschreibung. Es geht vielmehr um den vermittelten Spaß an Lautmalereien, Wörtern und Reimen.

Definitiv förderlich in vielen Bereichen sind Wimmelbilder, Fehlersuchbilder oder Spiele wie „Differix“, um nur einige zu nennen.

Bewegung, Körperwahrnehmung und Raumorientierung

Sich selbst anziehen zu können sowie spielerisches Einbauen der Präpositionen fördert die eigene Körperwahrnehmung genauso wie die Raumorientierung. Dies wird auch mithilfe von Puzzles, Bauen nach Anleitungen oder der Nachahmung von Bewegungen trainiert. Jegliche Bewegung, wie zum Beispiel Tänze oder Bewegungsspiele sind wichtig und förderlich!

Auch mathematisches Vorwissen, wie z. B. der sichere Umgang mit Mengen und Zahlen kann spielerisch trainiert werden. Möglichkeiten gibt es hier viele: Auszählreime, Kaufmannsladen, Spielgeld, Brettspiele, …

Wie wir besser lernen

Prinzipiell gilt, je mehr Sinne und Wiederholungen einbezogen werden, desto besser wird das Gelernte im Gehirn verankert. Auch ätherische Öle können beim Lernen helfen. Pfefferminze z. B. weckt auf, Zitrusdüfte fördern die Konzentration. Eine andere Erkenntnis ist die erhöhte Sauerstoffversorgung des Gehirns beim Kauen. Daher ist das Kauen von Kaugummi beim Lernen nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Auch ausreichendes Trinken von Wasser und gut gelüftete Räume helfen dem Gehirn beim Verarbeiten des Lernstoffes.

Professionelle Hilfe kann helfen

Meist wird ein Problembereich oft erst dann erkannt, wenn bereits Schwierigkeiten in der Schule auftreten. Viele Kinder reagieren auch abwehrend auf ein Training mit den Eltern bzw. zeigen eine starke Verweigerungshaltung. Daher ist es sinnvoll bei professionellen Legasthenie-, DyskalkulietrainerInnen und/oder Lerncoachs Hilfe zu suchen. Hier werden Problembereiche ausgetestet und ihr Kind individuell betreut sowie gefördert. Weiters können den Kindern unterschiedliche Lerntechniken nähergebracht werden, die ihrem Typ entsprechen und den Schulalltag erleichtern.

Das Wichtigste dabei ist, Erfolgserlebnisse zu vermitteln und zu motivieren! Nach dem Motto: „Stärken stärken, um Schwächen abzumildern und wieder Freude in den (Schul-) Alltag zu bringen!“


Ein Gespräch mit:

Sandra Neuhauser, Ing.
Dipl. Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin
Lerncoach & Pädagogin
Tel.: 0677/61 23 72 33
E-Mail: sandra.neuhauser@gmx.at
Webseite: www.lerncoach.kneu.eu

Praxis:
1190 Wien, Saarplatz 17, Top 1
1140 Wien, Anzbachgasse 31/22/5
3491 Elsarn im Straßertale, Kremserstraße 108 (bei Krems)

Webseite der Dipl. Legasthenie-, DyskalkulietrainerInnen und Lerncoachs in Österreich: Trainerinnen und Trainer für Legasthenie, Dyskalkulie, Lerncoach - LESEN SCHREIBEN RECHNEN LERNEN

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Regina Madgalena Smrcka

Weitere Artikel des Autors lesen