Zusammen mit Marie Kondo und Kindern aufräumen

Wir räumen unsere Wohnung auf. Weil wir zu viel Zeug angesammelt haben. Doch ist dieser „Zusammenräum-Wahn“ auch unseren Mädels zumutbar?

Eines Tages war es so weit: Gehört hatte man schon davon. Von dieser japanischen Zusammenräumberaterin, die Millionen von Büchern in sämtlichen Sprachen der Welt verkauft. Eines Tages war ihre Philosophie auch in unserem Leben:

Weniger war mehr und das, was blieb, musste „sparkeln“.

Also gewissermaßen eine positive Resonanz in uns auslösen. Alles andere: weg.

Dasjenige, das in unserer Wohnung bleiben wollte, musste zudem auf recht eigentümliche Art und Weise gefaltet werden, damit man es zu jeder Zeit auch wahrnahm und es nicht irgendwo ungetragen oder ungenutzt in Kästen oder Schubladen verstaubte.

Doch um diese Idee und dieses Konzept des Aufräumens – zu dem man stehen kann, wie man will – soll es hier eigentlich nur am Rande gehen. Mich treibt eine andere Frage um: Im Hinblick auf uns als Familie und auf uns als Eltern und auch auf uns aus der Sicht unserer Kinder.

Können wir unseren Kindern wirklich etwas aufzwingen, was uns im Moment wichtig ist?

Sind sie nicht in einer ganz anderen Lebenssituation, in einer Situation des Ansammelns, das Besitzen-Wollens, des Identität Findens, das sich auch dadurch definiert, dass man sich schöne Sachen kauft und diese dann auch gerne besitzt?

Wir alle leben in einem gemeinsamen Haushalt

Egal ob unsere Kinder genau so oder einen ähnlichen Ordnungssinn haben: Sie betreten nach erfolgtem Aufräumen ja auch gemeinschaftlich genutzte Räume, in denen sie von der neuen Ordnung und der neuen Übersichtlichkeit profitieren.

Sie müssen notgedrungen auch einige Maßnahmen mittragen.

Eine andere Sache ist es aber in ihren eigenen Zimmern: Muss auch dort dieselbe Ordnung nach demselben Konzept herrschen, wie wir es aktuell verfolgen? Muss ihnen automatisch auch das guttun, was uns guttut?

Diese Frage lässt sich wiederum nicht so einfach beantworten. Ein Richtig oder Falsch lässt sich schwerer einschätzen. Mir täten zuerst einmal „egoistische“ Gründe unsererseits dafür einfallen, dass diese besagte Ordnung auch in ihren Zimmern zu herrschen hat. Denn was nützt es, wenn alle Räume ordentlich sind, wenn es uns in den Zimmern dann förmlich erschlägt? Für die Psychohygiene ist eine Einheitlich in der gesamten Wohnung sicherlich von Vorteil.

Aber liegt es nicht auch in der Natur des Loslassens, dass man auch andere Sichtweisen zulässt?

Und vor allem bei Kindern und Jugendlichen: Müssen sie nicht erst wachsen und Lebenserfahrung sammeln, ehe sie womöglich zu ähnlichen Erkenntnissen und Ergebnissen kommen? Von dem abgesehen: Kann jemals etwas Gutes herauskommen, wenn jemand dem anderen seine Ideen aufzwingt?

Dieser Gedanke könnte dann dort hinführen, dass man gemeinsam diskutiert. Darüber redet. Die Bedürfnisse des jeweils anderen zu verstehen versucht. Und im Endeffekt dann vielleicht zur Überzeugung kommt, dass unumstößliche „Wahrheiten“ und unverrückbare Überzeugungen selten zu einem guten Ergebnis führen.

Das Stichwort heißt – das lernt man schnell, wenn man Kinder hat: gangbare und tragfähige Wege zu finden.

Es braucht Ideen, Zugänge und Konzepte, die für alle funktionieren.

Und wenn einer mal in einem Punkt seinen oder ihren Kopf durchsetzt, dann gilt es halt in anderen Punkten für den anderen seinen Standpunkt behalten zu dürfen.

Im Endeffekt sollten dann jedenfalls alle glücklich oder zumindest zufrieden sein. Ansonsten halten Ideen, Konzepte und Zugänge nicht lange. Ansonsten wird jemand „wortbrüchig“, arbeitet klammheimlich, aber stetig dagegen und bringt damit das Konstrukt, die man sich eigentlich zuvor gemeinsam gebaut hatte, nach und nach, Schritt für Schritt zum Einsturz.

Unglückliche Situationen, Unzufriedenheit und natürlich auch Streit sind in diesem Fall vorprogrammiert.

Kurz gesagt: Wir räumen auf. Aber versuchen, unsere Kinder mitzunehmen. Und Kompromisse zu finden in Räumen, die die ihren sind. Sie sollen da auch eigene Ideen, eigene Zugänge einbringen dürfen. Dann wird´s wohl gelingen.

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