Sechs-Jahres-Krise: Wutanfälle!
Verstehen, zuhören, toben lassen – Wie gehe ich mit den dramatischen Ausbrüchen einer Fünfjährigen um?
„Scheiß Mama!“ Als meine Fünfjährige vor ein paar Tagen das zum ersten Mal zu mir gesagt hat, bin ich regelrecht vom Stuhl gefallen. Es war leider nicht das letzte Mal.
Die Zeit rund um den sechsten Geburtstag, ist für viele Kinder anstrengend. Und für die Eltern eine Herausforderung. Die Kinder sind unausgeglichen und provokativ, manche sind frech, andere weinerlich. Nicht selten kommt es zu dramatischen Ausbrüchen. Man findet dazu Begriffe wie „Zahnlückenpubertät“ oder „Sechs-Jahres-Krise“, was eine äußerst intensive Entwicklungsphase zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr beschreibt.
Der Körper verändert sich – physisch und emotional
Die Kinder verlieren nun endgültig das „Babyhafte“, wachsen und strecken sich. Körperwahrnehmung und der Schwerpunkt verändert sich, die Kinder müssen lernen, damit umzugehen. Diese körperliche Veränderung geht mit einer kognitiven Entwicklung einher. Meine Große ist plötzlich auf neue Art wissbegierig, fragt nach den unmöglichsten Dingen, versteht komplexe Zusammenhänge und ihr Wortschatz ist riesig.
Schuleintritt
„Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens“
Wie oft habe ich das von Verwandten gehört, die das zu meiner Großen gesagt haben. „Schließlich gehst du bald in die Schule.“ Genau das signalisiert, dass es mit der Unbeschwertheit vorbei ist. Plötzlich sind da große Erwartungen, neue Regeln und ein Druck, mit dem die Kinder (und die Eltern) zurechtkommen müssen. Das ist etwas Unbekanntes und verunsichert trotz der großen Vorfreude, manchmal macht es sogar Angst.
Aber auch Kinder, die nicht mit so viel ‚Neuem‘ konfrontiert sind, befinden sich in einer instabilen Phase. In diesem Alter streben Kinder nach Selbstständigkeit und Autonomie, sind aber hin und hergerissen zwischen „Mama, geh weg“ und „Mama, lass mich nicht allein“. Dazu kommt die körperliche und emotionale Veränderung.
Da ist also einiges im Ungleichgewicht im Körper und im Kopf der Kinder.
Wutausbrüche – Ich kenne mein Kind nicht mehr
Anfälle wegen Reizüberflutung, Bewegungsmangel, Übermüdung oder Hunger haben wir schon häufiger erlebt, diese plötzlichen Wutausbrüche und dieses besonders irrationale Verhalten unserer Großen, haben meinen Mann und mich jedoch in ihrer Heftigkeit überrascht. So kennen wir unsere bis dahin ruhige, schüchterne Fünfjährige nicht. Sie schreit, haut und schmeißt mit Gegenständen. Sie brüllt, dass die Eltern verschwinden sollen, im nächsten Moment möchte sie jedoch, dass Mama und Papa doch dableiben.
Ideen, wie man mit den Anfällen einer Fünfjährigen umgehen könnte
Ich musste erst einmal lernen, der kindlichen Wut nicht sofort mit Ärger zu begegnen. Ein Satz aus dem Internet hat mir dabei gut geholfen.
„Das Kind tut nichts gegen dich, sondern für sich.“ Der Angriff ist nicht gegen die Mama oder den Papa gerichtet, sondern ist Ausdruck von Unsicherheit und Unwohlsein.
Das Kind explodiert – die Mama macht bewusst einen Schritt zurück. Durchatmen und dann versuchen, mit dem Ausbruch umzugehen. Das Wichtigste vorne weg: Das Kind ernst nehmen. Und sei der Anlass des Dramas noch so banal und seien die Forderungen des Kindes noch so seltsam, ich versuche darauf einzugehen.
Verständnis/Empathie: Verstehen, dass sich das Kind selbst nicht auskennt und nicht beeinflussen kann, was gerade passiert. Ist es einmal in seiner Wut gefangen, kann es auch auf nett gemeinte Ansprache nicht mehr reagieren.
Das Kind in seiner Wut begleiten. Das klingt zunächst seltsam. Wir Erwachsenen machen oft den Fehler, Wut aus dem Weg zu gehen, sie vermeiden zu wollen und das Kind möglichst zu beruhigen. Vermutlich haben wir es alle nicht anders gelernt.
Mein Vorschlag: Lass das Kind den Anfall durchleben. So lernen Kinder, mit diesem starken Gefühl umzugehen und oft ist es ganz schnell vorüber.
Dabei kann man aber durchaus Grenzen aufzeigen und ganz klar sagen, dass manche Verhaltensweisen nicht akzeptabel sind (z.B. Geschwister treten oder Mama hauen).
Ansonsten: Aufmerksam zuhören und selbst den Mund halten. Hilfe anbieten.
Mama ist immer da: Oft beruhigt sich meine Große von allein, manchmal ist da ein winziger Augenblick, wo sie klar signalisiert, dass sie mich braucht.
Dann nehme ich sie in den Arm, kuschle sie fest und wiege sie hin und her. Sie darf wieder ‚klein‘ sein, sich wie ein Baby fühlen. Und sie erfährt, dass Mama bei ihr ist, egal was passiert und was sie gesagt hat. Mama hat sie uneingeschränkt lieb. Das ruhig laut aussprechen. „Ich habe dich so lieb.“
Manchmal beruhigt sich mein Mädchen aber so gar nicht oder ist gerade in einer unangenehmen oder gefährlichen Situation (Parkplatz, Supermarkt oder Straßenverkehr). Dann kann ich ihr nicht so viel Zeit geben und probiere etwas anderes:
Ablenkung suchen oder etwas total Sinnloses, Dämliches tun z.B. einen Satz aufgreifen und ins Gegenteil umkehren (ja, das verlangt nach einem schnellen Kopf und ein bisschen Kreativität).
Das Kind aus der Situation herausnehmen: Ein Ortswechsel oder etwas komplett anderes machen, z.B. die Große bekommt beim Radfahren einen Wutanfall, setzt sich auf die Straße und bewegt sich nicht mehr fort (und das an einer gefährlichen Stelle).
Mama ist einfach in die nächstbeste Pfütze gehüpft und hat die Große animiert mitzumachen. Wir waren danach nass und schmutzig, aber wieder glücklich.
Ursachenforschung und „Nachbesprechung“:
Das ist, finde ich persönlich, ein sehr zwiespältiges Thema. Weil ich die launenhaften Ausbrüche und das irrationale Verhalten der Fünfjährigen nicht zum Tagesfüller machen und nicht überbewerten möchte. Jetzt gerade, in dieser Lebensphase, ist das halt so.
Andererseits aber überlege ich schon, was das „große Theater“ ausgelöst hat (War der Tag im Kindergarten anstrengend und der Besuch der Cousine am Nachmittag zu viel? Oder fühlte sich das Kind von der Cousine missverstanden und konnte sich nur nicht klar ausdrücken?) und dann suche ich das Gespräch mit meinem Mädchen und frage schon nach, warum sie heute wütend ist oder warum sie so viel schimpfen muss.
Vielleicht schaffe ich es ja, dass das Kind seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, bevor es zum Ausbruch kommt und mein Mann und ich können ihr dabei helfen, damit umzugehen.
Wenn sie jedoch nicht darauf antworten möchte, lasse ich es gut sein, weil es, wie oben bereits erwähnt, manchmal einfach keinen „rationalen Grund“ für so einen Ausbruch gibt.