An der Hand der Gottesmutter - das Geheimnis des Rosenkranzes
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kommen mir viele Erinnerungen an kirchliche Feste in den Sinn. Neben den hohen Feiertagen wie Weihnachten und Ostern hatte beispielsweise Fronleichnam immer einen besonderen Platz in meinem Herzen – vor allem, weil es an diesem Tag nicht nur einen besonderen feierlichen Gottesdienst, sondern auch Musik, Standln mit Süßigkeiten und verschiedene Aktivitäten besonders für die Kinder in unserer Pfarre gab.
Doch egal, ob Weihnachten oder Ostern, Fronleichnam oder Maria Himmelfahrt, ob Sonntagsmesse oder Werktagsgottesdienst: Bei all diesen Erinnerungen schwingt immer ein ganz besonderer Rhythmus in meinem Kopf mit. Denn wann immer ich als Kind unsere Pfarrkirche betrat, waren schon einige ältere Frauen vor Ort, die vor dem eigentlichen Gottesdienst den Rosenkranz miteinander beteten. Melodisch klang das, wie aus einer eigenen Welt, fremd und nah zugleich. Die Worte kannte ich in und auswendig, aber der Sinn dahinter ging mir nicht auf. Immer wieder die gleichen Sätze vor mir hersagen ist nichts für mich… Das ist etwas für ältere Herrschaften, dachte ich früher immer, obwohl ich doch auch stets in den Rhythmus einstimmte, gerade so laut, dass nur ich meine eigene Stimme hören konnte.
Als ich 17 Jahre alt war, hatte ich das Gefühl, dass ich mich mehr mit dem Christentum auseinandersetzen sollte.
Irgendwie gläubig war ich zwar von klein auf, aber ich konnte nicht behaupten, dass der Glaube einen ernsthaften Platz in meinem Leben hatte. Also beschloss ich eines Tages im Mai 2012, das erste Mal alleine in eine hl. Messe zu gehen. Schließlich saß ich im Klagenfurter Dom – und konnte wieder diesen vertrauten Rhythmus wahrnehmen.
Eine Perlenschnur und gleichzeitig ein Gebet ist der Rosenkranz
Er will uns näher zu Gott bringen, denn anhand der Kette lassen sich die großen Stationen im Leben Jesu betrachten und meditieren. Dabei sind wir Beter immer an der Hand seiner Mama Maria, denn sein Wirken ist unmittelbar mit ihrem „Ja“ verbunden. Maria hätte nein zu Jesus sagen können. Aber sie hat als junges Mädchen den Willen Gottes angenommen und wortwörtlich Raum für Christus gemacht, ihn geboren und in Stille und Verborgenheit großgezogen. Wenn ich den Rosenkranz bete und daran denke, wie sie als einfache junge Frau den Lauf der Welt verändert hat, bekomme ich wieder Kraft für meinen persönlichen Alltag. Dann lösen sich die Herausforderungen und Mühen in meinem Leben zwar nicht in Luft auf, aber ich darf wissen, dass ich in Maria ein Vorbild habe, um mich Tag für Tag um all die Dinge kümmern zu können, die nicht sofort sichtbar sind, um verschwenderisch in der Liebe zu sein, um Raum zum Wachsen zu geben.
Als ich an jenem Maitag im Jahr 2012 im Klagenfurter Dom saß, merkte ich, wie ich mit jedem „Gegrüßt seist du Maria…“ – „Heilige Maria, Mutter Gottes“ ein Stück mehr aus meinem Alltagstrubel herausfand und in eine übernatürliche innere Ruhe kam. Von da an machte ich es mir zur Gewohnheit, jeden Tag mindestens ein Geheimnis des Rosenkranzes zu beten, also eine Station im Leben Jesu zu betrachten. Dass ich dabei immer konzentriert bei der Sache bin, kann ich nicht behaupten. Oft schweifen meine Gedanken in alle Richtungen. Und trotzdem ist dieses Gebet nicht umsonst. Ich übe mich in Treue zu Gott – und tue gleichzeitig meiner Gesundheit etwas Gutes. Denn genau wie fernöstliche Mantras wirkt sich auch das meditative Beten des Rosenkranzes positiv auf den Herzschlag aus.
Die Gruppe, die in meiner Kindheit gemeinsam vor der hl. Messe betete, gibt es mittlerweile nicht mehr. Einige Frauen sind gestorben, andere sind weggezogen, manche sind bettlägerig. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich eines Tages wieder Frauen – und hoffentlich auch Männer – finden werden, um gemeinsam den Rosenkranz zu beten. Denn diese ganz besondere Perlenschnur ist nicht ein Relikt der Vergangenheit, sondern heute genau so aktuell wie vor 100 Jahren.