Baby-Zeichen-Sprache, Teil 2: Bereits vor der Sprachentwicklung sprechen lernen

„Eindringlich wiederholt meine 13 Monate alte Tochter die Hand-Zeichen für „Baum“ und „Eichkätzchen“.  Ohne die Baby-Zeichen-Sprache hätte ich nie erfahren wie aufregend das Eichkätzchen für sie war, welches wir am Vormittag gesehen hatten.“ erzählt Andrea Gruber. Mit der Baby-Zeichen-Sprache können sich Kleinkinder bereits Monate vor der Sprachentwicklung verständigen. Durch diese aktive Kommunikationsmöglichkeit  können Eindrücke verarbeitet, Wünsche kundgetan und Gefühlsausbrüche verringert werden. Im Gespräch mit Andrea Gruber, Kinderkrankenschwester und liz. Kursleiterin für Zwergensprache.

Die Babyzeichensprache nach Vivian König beruht auf der deutschen Gebärdensprache. Ausgewählte Handzeichen wie z.B. die Symbole für „trinken, essen“ oder „schlafen“ werden dabei gleichzeitig mit der normalen Sprache ausgeführt. Einige Zeichen wie das Winken beim Abschied benutzen wir ganz automatisch im Alltag. Diese werden daher auch ikonische Gesten genannt. Denken wir nur an die Zeichen, die wir unwillkürlich benutzen, wenn wir versuchen uns mit Menschen einer anderen Landessprache zu unterhalten.

Wir sprechen mit unserem ganzen Körper

Die Kommunikation zwischen Eltern und Kinder findet in den ersten Lebensmonaten vor allem nonverbal statt. Kleinkinder drücken ihre Wünsche mit ihrem ganzen Körper aus. „Die Baby-Zeichen-Sprache greift diese Beobachtung auf und unterstützt sie mittels ausgewählter Handzeichen“ erklärt mir Andrea Gruber.

Hand-Auge-Koordination schneller als Sprachentwicklung

Bereits mit 3 Monaten können Babys ihre Hände zusammenführen (Hand-Hand-Koordination). Ab dem 4. Lebensmonat greifen sie gezielt nach Gegenständen und können diese zum Mund führen (Hand-Augen-Koordination) Die Fähigkeit Arme und Hände zu koordinieren entwickelt sich somit um vieles vor der der Sprachentwicklung. Zwischen dem 6. und 9. Lebensmonat stellt das Gehirn die Verbindung zwischen dem Zeichen selbst und der Bedeutung des Zeichens her. „Die Baby-Zeichen-Sprache ermöglicht dem Baby somit seine Bedürfnisse auszudrücken, lange bevor es sprechen kann.“ so Andrea Gruber. Zirka mit 10 Monaten beginnen Kleinkinder damit die Hand-Zeichen auch selbst auszuführen.

Die Fähigkeit Arme und Hände zu koordinieren entwickelt sich um vieles vor der der Sprachentwicklung.

Baby liegt und lacht

Weniger Frust durch aktive Kommunikation

„Der größte Vorteil liegt in der Erleichterung des Alltags. Gerade im Alter von 17-22 Monaten, wenn Kleinkinder bereits laufen, aber sich noch nicht ausdrücken können, kommt es oft zu kleineren Krisen“ erzählt Andrea Gruber aus der Praxis.

Wut- bzw. Gefühlsausbrüche werden verringert.

Durch die Baby-Zeichen-Sprache wird die Verständigung aktiver und vor allem entspannter. Durch die beidseitige Kommunikationsmöglichkeit können die Kleinen erstmals ihre eigenen Interessen und Wünsche kundtun. Wut- bzw. Gefühlsausbrüche werden so verringert.

Gehirnentwicklung wird gefördert

Die Möglichkeit sich ausdrücken und etwas bewirken zu können fördert nicht nur das Selbstvertrauen. Durch die unterschiedlichen Sinneseindrücke „zuhören“, „sehen“ und „tun/ausführen der Zeichen“ wird neben der linken Gehirnhälfte (Sprachentwicklung) auch die rechte Gehirnhälfte, sowie die Verbindungen zwischen beiden Gehirnhemisphären trainiert. Es wurde beobachtet, dass Babys, welche mit Gebärdensprache aufwuchsen oder die Baby-Zeichen-Sprache verwendeten, oft auch früher sprechen konnten. (Siehe auch Teil 1, Studie von Elizabeth Newport; Neurologie: Kinder verarbeiten Sprache anders als Erwachsene - science.ORF.at)

Weitere positive Effekte

Ursprünglich wurde die Baby-Zeichen-Sprache für hörende Babys entwickelt. Sie wirkt aber auch unterstützend bei Kleinkindern mit verzögerter Sprachentwicklung oder Lernschwierigkeiten. Auch das Erlernen mehrerer Sprachen wird erleichtert, da in den unterschiedlichen Sprachen die gleichen Zeichen für ein und denselben Begriff verwendet werden. Diese dienen somit als „Esels-Brücke“.

Weitere Infos zur Baby-Zeichen-Sprache

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Ein Artikel von

Portraitfoto Regina Madgalena Smrcka

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