Briefe aus der Zukunft von meinen Kindern an mich - ein Visionsversuch

Wie wird die Welt wohl sein, wenn unsere Kinder erwachsen sind?

Wenn ich mir anschaue, wie sie sich seit meiner Kindheit in den 80ern verändert hat, fällt es mir schwer, mir das Ausmaß der weiteren Veränderung in diesem Tempo vorzustellen.

Wenn das Wirtschaftswachstum so nicht mehr weitergehen kann, sondern wir und unsere Kinder lernen müssen, mit weniger zurecht zu kommen, sich die Technik noch schneller weiterentwickelt, künstliche Intelligenz viele Arbeitskräfte ersetzt und somit viele Fähigkeiten von heute nicht mehr wichtig und austauschbar sind, so, denke ich, braucht es in der Zukunft eines noch mit Sicherheit: mit dem Herzen sehen und sprechen zu können.

Ich glaube nicht, dass es einfacher wird, sondern im Gegenteil immer (heraus-)fordernder.

Deshalb brauchen unsere Kinder etwas, das sie stark macht, das ihnen Halt gibt, das ihnen hilft, auch in schwierigen Zeiten nicht zu verzweifeln. Die Gewissheit, verbunden zu sein, mit sich selbst, den Menschen, die man liebt, allen Lebewesen auf Erden, der Natur, mit Gott, macht Menschen resilient.

Die Fähigkeit, sich selbst mit allen Gefühlen und Bedürfnissen zu spüren und diese mitteilen zu können, hält gesund, erweckt das Einfühlungsvermögen anderen gegenüber und öffnet Türen.

Das Erleben, bedingungslos geliebt zu sein, ohne dafür Leistung erbringen zu müssen, stärkt das Selbstvertrauen und führt zur vollen Entfaltung der intrinsischen Motivation. Diese werden unsere Kinder brauchen, um ihrem Herzen folgen zu können und das zu finden, wofür sie brennen.

Denn was immer es auch sein wird, was in Zukunft gebraucht werden wird: unsere Kinder werden erfolgreich ihren Weg finden, wenn wir sie in ihren Stärken stärken und ermutigen, auf ihr Herz zu hören.

 

 

Liebe Mama,

heute schreibe ich dir, weil ich einen wirklich harten Tag hinter mir habe und mir gerade wünschte, ich wäre zu Hause auf unserer Küchenbank und würde von dir einen warmen Seelenwärmer-Kakao serviert bekommen, so wie früher als Kind. Du hast es mir immer schon in dem Moment, als du mir die Tür geöffnet hast, wenn ich von der Schule nach Hause kam, angesehen, wenn es mir nicht gut ging.

Dann hast du mich fest in den Arm genommen, gesagt wie schön es ist, dass ich da bin.

Du hast gewartet, bis ich bereit war, zu erzählen. Die friedliche Ruhe unserer warmen Stube, gepaart mit dem Topfgeklapper und dem süßen Duft nach frisch gebackenem Kuchen, der stets in der Luft hing, vermittelten mir Geborgenheit und machten es mir leicht, mein Herz auszuschütten.

Und du hast einfach zugehört, mir gezeigt, dass du mich verstehst, indem du zwischen den Zeilen last.

Du hast mir Worte gegeben, um mich selbst zu verstehen; hast mit deinem Herzen gehört und mir zurückgespiegelt, was ich fühle und was ich brauche, damit es mir wieder besser geht; hast mit mir Ideen gesammelt, was ich tun könnte, um mir meine Bedürfnisse zu erfüllen.

Du hast mich gelehrt, dass ich selbst verantwortlich dafür bin; auch, dass meine Art zu denken mein Handeln lenkt und ich Situationen verändern kann, indem ich sie anders bewerte und interpretiere.

Diese Erfahrungen gaben mir so starke Wurzeln, dass auch der stärkste Sturm, der heute weht, mich nicht umwerfen kann. Auch wenn ich gerade müde, ausgelaugt und ein wenig traurig bin, weil momentan so viele Kilometer zwischen uns liegen, dass ich nicht einfach schnell auf eine heiße Tasse Kaffee vorbeikommen kann, um dir von meinem Tag zu berichten, so fühle ich doch diese starke Verbundenheit in mir, egal wie weit ich auch weg bin.

Deshalb möchte ich dir danken, dass du mich gelehrt hast, mit mir selbst in Verbindung zu sein, in mich hineinzuhören, mich freuen aber auch bedauern zu können, ohne dabei mich selbst oder andere zu verurteilen.

Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder! Dein Leo

 

 

Liebe Mama,

heute hatte ich doch tatsächlich ein Déjà-vus, von dem ich dir unbedingt erzählen muss … meine kleine Marie kam von der Schule nach Hause und schon im Flur sprudelte aus ihr heraus, dass sie im Sachunterrichtstest endlich eine Eins geschrieben habe, jedoch ihr Freund eine Fünf bekam. Aufgeregt berichtete sie, dass er vor Enttäuschung schrecklich weinte, dass sie daraufhin zu ihm ging, ihm den Arm um die Schulter legte und sagte: „Ach Anton, ich weiß, du bist enttäuscht und hättest so gerne eine bessere Note gehabt. Aber weißt du was? Du bist nicht diese Note!"

"Das, was wirklich zählt, ist in deinem Herzen und da bist du wunderschön!“

Da fiel er ihr um den Hals, bedankte sich und konnte wieder lächeln. Als ich ihr dann – genau wie du mir damals – sagte, dass ich sehr stolz auf sie sei, meinte auch sie: „Aber Mama, das hab‘ ich schließlich von dir gelernt!“ Da erinnerte ich mich daran, wie du mir mal erzählt hast, dass du geweint hast vor Freude, als ich dir damals genau dieselbe Situation geschildert und diese Worte zu dir gesagt habe, und auch ich war so berührt, dass meine Augen feucht wurden.

Es tut so gut zu wissen, dass ich diesen Herzensschatz erhielt und weitergeben kann.

Meinem kleinen Mädchen zu vermitteln, dass in jedem Menschen Gutes steckt und alle gleich viel wert sind, auch wenn sie ab und an Dinge tun, mit denen wir nicht einverstanden sind, bereichert unser Leben so sehr.

Wir gehen mit so viel Freude und Wohlwollen in die Welt hinaus, dass diese auch immer wieder zurücklächelt. Somit sende ich dir heute ein strahlendes, freudiges Lächeln per Brief und drück dich fest! Deine Sophie

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