Eifersucht unter Geschwistern: „Ich bin das Baby!“
Wenn ein Geschwisterchen kommt, ist das für das ältere Kind fast immer mit Eifersucht verbunden, die sich in unterschiedlicher Intensität und Verhalten zeigen kann. Hier ein typisches Beispiel.
Thomas ist fast drei Jahre alt, als er ein Schwesterchen bekommt. Nach einiger Zeit fängt er wieder mit Baby-Allüren an, verlangt Schnuller und Fläschchen und deklariert lautstark „Ich bin das Baby!“ Dass Thomas eifersüchtig ist und Aufmerksamkeit braucht, ist offenkundig. Doch wie weit soll man seinen Wünschen nachgeben?
Warum „gut zureden“ meist nicht hilft
Allzu oft versuchen Erwachsene in solchen Situationen, dem Kind gut zuzureden: „Ich habe es ihm schon so oft erklärt, doch es nützt nichts!“
Warum? Weil Erklärungen den Verstand ansprechen.
Zuerst aber wollen Kinder emotional abgeholt werden, dann erst sind sie vernünftigen Argumenten gegenüber zugänglich.
Aktives Zuhören ist gefragt
Das aktive Zuhören ist das wichtigste Instrument, um die Annahme der Gefühle auszudrücken, das heißt, dafür zu sorgen, dass das Kind sich verstanden fühlt, anstatt mit Kommentaren, Einwänden oder sonstigen Rationalisierungen aufzuwarten. Diese lösen nur Blockaden und Widerstand aus, was die meisten Eltern mit „Er ist immer so bockig, so uneinsichtig“ kommentieren. Sie führen es auf den kindlichen Charakter und seine Verhaltensweisen zurück, nicht auf die Kommunikationsblockaden, die sie selbst verursachen.
Die meisten Menschen können nur dann aktiv zuhören, wenn sie sich selbst liebevoll angenommen fühlen.
Dann passiert es ganz von allein und man ist sich dessen gar nicht bewusst. Wenn wir uns aber selbst unter Rechtfertigungsdruck oder gar angegriffen fühlen, dann kommen wir nicht auf die Idee, ganz einfach deshalb, weil die meisten Menschen nie darüber reflektiert oder es gar gelernt haben.
Um eine gute Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen und um Kindern zu helfen, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Einsicht zu vermitteln, ist das aktive Zuhören aber die Schlüsselkompetenz Nummer eins. Das gilt auch für die Partnerschaft. Deshalb sind Elternseminare, die auf Kommunikationstraining aufgebaut sind, besonders hilfreich.
Schritte zur Einsicht
Keineswegs sollte man Thomas lächerlich machen und brüskieren, allerdings auch nicht uneingeschränkt nachgeben und „mitspielen“. Am besten ist es, wenn die Mutter Verständnis für die kindlichen Gefühle zeigt und ihm hilft, selbst zu hinterfragen. Das gelingt, indem sie einfach zurückfragt „Wirklich? Wer ist hier das Baby und wer ist mein Großer?“ Thomas fühlt sich verstanden, wenn die Mutter anerkennt „So ein Baby hat's gut. Ich muss viel Zeit mit ihm verbringen und du musst oft warten. Da möchtest du auch manchmal wieder ausprobieren, wie man sich so fühlt als Baby. Komm, lass uns ein wenig kuscheln. Aber du bist mein Großer, mein einziger Thomas, den wir sehr lieben.“
Schnuller und Fläschchen dürfen nicht das große Tabu werden. Ob ein klares nein die bessere Lösung ist oder ob Thomas sie nur dann haben darf, wenn er es wirklich braucht, das gilt es abzuwägen. Dadurch vermittelt die Mutter Vertrauen und ermutigt zur Selbstkontrolle. Sie kann auch Vereinbarungen und somit Einschränkungen vereinbaren, an die das Kind sich freiwillig hält.
Neue Anforderungen und Privilegien
Helfen Sie Ihrem Kind dabei, die Rolle des Großen gerne anzunehmen, die neue Rücksichtnahmen, aber auch Privilegien enthält. Das sollten Sie auch Ihrer Umwelt vermitteln, indem Sie zum Beispiel darum bitten, das ältere Kind als erstes zu begrüßen. Die Verwandtschaft neigt dazu, zuerst das Kleine zu bewundern und gibt unabsichtlich dem älteren Kind das Gefühl, unwichtig und ungeliebt zu sein. Kein Wunder also, wenn es mit Verhaltensauffälligkeiten oder Rückschritten reagiert.
Die Geburt eines Geschwisterchens ist für jedes Kind eine Herausforderung, die leichte Regressionen auslösen kann. Mit der verständnisvollen Zuwendung der Eltern wird es diese Hürde leicht überwinden und an Reife und Einsicht dazu gewinnen.