Gemeinsam mit den Kindern Filme (Serien) anschauen
Meine Mädels sind meist etwas befremdet, wenn ich mich zu ihnen setze und ihre Lieblingsserie mit ihnen ansehe. Doch es ist in den meisten Fällen „produktiv“.
Es gibt einen Satz, den ich von meinen Töchtern (12 und 16) oft höre, wenn ich mich zu ihnen auf die Couch geselle, in deren Nähe gerade eine Serie aus dem Hause eines bekannten internationalen Streaminganbieters läuft.
„Das wird wohl nicht deines sein“, schallt es mir entgegen.
Diese Äußerung kontere ich meist mit einem lapidaren „Das werde ich ja sehen“.
Dann geht es los. Die Themen sind meisten tatsächlich nicht „meins“. Zumal die Protagonistinnen zumeist jung und weiblich sind. Dennoch lasse ich mich auf diese Welt ein und kommentiere diese auf keinen Fall abfällig oder gar aus der Perspektive eines „nicht mehr ganz jungen weißen Mannes“. Ich fühle mich ein, nehme Anteil, denke mich hinein und lasse es mit mir geschehen.
Ich sehe dann zwar nicht viel von „meiner Welt“, aber ich sehe etwas eigentlich viel Wichtigeres: Ich sehe etwas, zumindest einen Auszug, aus der Welt meiner Töchter. Und wenn schon nicht aus ihrer ureigenen, ganz persönlichen Welt, dann zumindest etwas von der Welt, von den Welten, die sie beeinflussen, prägen, in denen sie sich gerne aufhalten. Das ist unendlich wertvoll für mich.
Ich will mir nicht anmaßen, sie dadurch voll und ganz zu verstehen.
Aber es sind kleine Bausteine dorthin. Es sind zumindest Fragmente und mehr oder weniger passende Schlüssel, um Gespräche zu beginnen, um über die jetzige, doch sehr kurzlebige Zeit zu reflektieren und zu reden. Dass das alles ohne den hoch erhobenen Zeigefinger passiert, versteht sich dabei von selbst.
Oftmals entwickelt sich zudem eine Art von "popkulturellem" Gespräch. Das liegt daran, dass Popmusik nicht linear und fortschreitende funktioniert, sondern mit Querverweisen und Rückgriffen. So kommt es oft vor, dass ein Lied klingt wie ein Lied, das es bereits vor geraumer Zeit gab. Auch hier komme ich bestenfalls ohne Fingerzeig aus.
Ich möchte meine Kinder nicht belehren, ihnen nicht beweisen, dass ich es besser weiß.
Aber ich möchte ihnen ein „Hör-Repertoire“ anbieten, das dem ureigenen Wesen der Pop-Musik, eben ihrer Selbstreferenzialität, sehr entgegen kommt. Indem ich auf Ähnlichkeiten hinweisen, tun sich neue Welten auf.
Ganz auf die Weise: Menschen, die das hörten, mochten auch… nicht selten höre ich dann – wenn es schon nicht gleich auf Gegenliebe stößt.
Das sind eben die kleinen Samen, die damit gesät werden. Natürlich kann man nicht zugeben, dass der „uncoole“ Vater doch ein paar ganz coole Sachen kennt und auch „coole“ Tipps gibt.
Da braucht es Abstand, Autonomie, mithin gar die Erkenntnis, dieses oder jenes selbst entdeckt zu haben. Der Genießer schweigt dann, hört zu und weiß den tatsächlichen Bezug und die tatsächliche Herkunft.
Unabhängig davon staune ich jedenfalls, was so ein paar Minuten oder wenige Stunden gemeinsam auf der Couch so alles bewirken können. Es bringt uns näher zueinander, gibt uns Gesprächsthemen. Ich verstehe einiges von ihrer Welt, sie – meine Mädels – verstehen einiges von meiner Welt. Im Zusammentreffen dieser Welten ergibt sich oft etwas Neues, eine Art Zwischenwelt, die noch nicht ist, aber im Werden begriffen ist.
Es sind Augenblicke, dich ich keinesfalls missen möchte. Nicht zuletzt deshalb, weil sie einen weit verbreiteten Mythos pulverisieren: Nämlich den, dass gemeinsame Zeit auf der Couch vor der „Glotze“ vertane Zeit seien. Ich kann nur das schiere Gegenteil behaupten: So komprimiert, so konzentriert bekommt man selten Themen, Anschlüssen und Möglichkeiten serviert, von denen sich danach noch lange zehren lässt. Immer wieder tauchen Fragmente auf, Dialoge, Songbruchstücke, die uns als Vater-Töchter-Gespann Themen oder auch lustige Anekdoten liefern, auf die wir uns gemeinsam beziehen können. Das stärkt nicht zuletzt die Beziehung, eröffnet einen Raum, den wir gemeinsam gerne real und imaginär immer wieder betreten wollen.