Gespräche auf Augenhöhe mit Kindern
Man kennt es selbst aus der Kindheit: Wenn Erwachsene reden, dann stehen Themen von Kindern meist hinten an. Doch muss das wirklich so sein?
Der Klassiker: Zuerst haben sich Eltern noch mit den Kindern unterhalten. Sobald die Verwandtschaft eintrudelt, sind die Gespräche zwischen Erwachsenen plötzlich deutlich wichtiger. Wer in sich geht erinnert sich an solche Situationen in der eigenen Kindheit. Und womöglich auch daran, dass solche Situationen verletzend waren. Dass man es als Erwachsener, trotz dieser Erinnerungen, meist gleich macht, ist zumindest interessant.
Woran liegt das?
Eventuell daran, dass Menschen stets unter sich bleiben wollen, von ähnlichen Erfahrungs- und Erwartungshaltungen ausgehen und sich Gespräche leichter führen lassen, wenn gemeinsame Annahmen und Wissenshorizonte vorhanden sind. Sprich: Wer besagte Idee oder besagte Person gar nicht kennt, der kann halt auch nicht mitreden. Um sich ein solches Szenario vorzustellen, muss man sich gar nicht in die Rolle des Kindseins einfühlen. Es genügt völlig, sich in unbekannte Kontexte, kulturelle Horizonte oder Personenkreise einzuschleusen.
Eingeschworene Personengruppen und Kinder
Schnell merkt man dort, dass man zum Teil weder die thematisieren Personen kennt und auch nicht weiß, welches Wissen vorausgesetzt werden kann und welches nicht. Die gemeinsame Basis des Gesprächs ist noch nicht bekannt und somit geraten Gespräche oft ins Stocken. Vorzupreschen und entweder zu viel oder zu wenig vorauszusetzen kann problematisch sein und sogar als Affront ausgelegt werden. Bei einem naturgemäßen Unterschied zwischen der Erwachsenen- und der Kinderwelt ergeben sich solche Situationen eigentlich von selbst. Nur dass Kinder eben nicht den Mut und die Durchsetzungskraft haben, daraus eventuell Kraft zu schöpfen und diese Herausforderung anzunehmen. Sie sind per se im Gespräch leiser und dadurch schon fast, auf akustischer und inhaltlicher Ebene, weniger gut hörbar und manchmal auch lautlos.
Es gibt somit immer eine, mehr oder weniger, eingeschworene Gruppe, die gemeinsame Annahmen teilt und gewisse ähnliche Voraussetzungen in der Diskussions- und Wissens-Kultur hat. Kinder sind dabei oft störend, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes Störfaktoren sind. Sie fragen nach, schießen quer, stellen in Frage, stellen mit ihren „kindlichen“ Fragen vieles auf den Kopf.
„Störungen“ akzeptieren und als mögliche Bereicherung sehen
Das gilt es zu akzeptieren. Wer lieber eine eingeschworene Gesprächs-Gemeinschaft bleiben will ohne „Störungen“ und Irritationen, der wird sich in größeren Kreisen auch nie wirklich auf kindliche Fragen einlassen können. Aber diese Fragen können sehr erfrischend sein und nicht zuletzt aus philosophischer Sicht hochinteressant. Gerade weil Kinder andere Annahmen haben und die Welt mit anderen Augen sehen, können ihre Blickwinkel bereichernd sein. Das ist natürlich kein Plädoyer dafür, Kinder immer und überall mitreden zu lassen. Es gibt definitiv auch Orte und Zeiträume, in denen sogenannte „Erwachsenengespräche“ wichtig sind und Kinder weder mitreden oder dabei sein müssen. Aber es ist ein Aufruf dazu, sich der eigenen „erwachsenen“ Bedingungen.
Es ist ein Aufruf sich anzunähern, Kinder und Erwachsene. Sich selbst und die eigenen Themen auch nicht immer allzu ernst zu nehmen und den kindlichen Blick als Bereicherung zu erfahren.
Vor allem auch: Man sollte die Interessen und die Ansichten des Kindes ernst nehmen und darüber, wenn möglich und passend, ins Gespräch kommen. Die Lebensrealität und die Lebenswelt von Kindern ist nicht minderwertig oder wenig entwickelt, sie ist nur anders und hat andere Bedingungen. Allein diese Erkenntnis führt dazu, dass es gelingt, mit Kindern auf Augenhöhe zu reden und zu diskutieren und zugleich zu erkennen, dass auch der kindliche Blickwinkel sehr wertvoll sein kann.