Gleichzeitigkeiten im Familienleben und mögliche Lösungsansätze

Alle Eltern kennen es: Man würde sich oft gerne vervielfachen können, um allen Herausforderungen gerecht zu werden. Auch wenn das Rezept dafür noch nicht erfunden wurde und die Situation oft aussichtslos erscheint, gibt es Möglichkeiten, der Überforderung zu entkommen.


Lange Zeit geht im Leben alles Schritt für Schritt: Wir folgen dem allgemeinen Plan von Kindergarten, Schule und diversen anschließenden Ausbildungs- und Lernmöglichkeiten.
Wissbegierig öffnen wir ein Buch nach dem anderen, entdecken Berufe und teilen frei verfügbare Zeit gleichermaßen für Selbstfürsorge, Zeit mit FreundInnen und Familie ein. Kippt mal der eine oder andere Part aus dem Gleichgewicht, lassen sich Hebel ziehen, um wieder im Lot zu sein. Wir finden mit den Jahren Methoden dafür.

 

Mit jedem Kind braucht es eine Neu-Konzeption

 

Haben wir das Glück einen Partner/eine Partnerin zu finden, mit dem/der wir auch zu zweit ein ausgeglichenes Leben führen können, passiert oft etwas ganz Wunderbares: es entsteht ein Kind. Nun haben wir ein Buch mit Rezepten gesammelt, wie es sich gut durchs Leben gehen lässt und ein gemeinsames Kind kann dieses nur noch vollkommener machen.
Schwanger mit unserer dritten Tochter kann ich sagen: ja so ist es! Ich kann aber auch sagen, dass diese unermessliche Liebe, die immerwährende Verbundenheit und die kostbare Verantwortung, die mit einem neuen Familienmitglied einhergehen, all die Methoden, auf unser Wohlbefinden zu achten, erstmal außer Kraft setzen.


Als Familie braucht es eine Neu-Konzeption von all den Strategien, die bisher so selbstverständlich schienen, denn das Phänomen der Gleichzeitigkeit hält plötzlich Einzug.

Ab nun heißt es nicht nur, den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, sondern zuerst denen des Kindes und denen der Familie.


Eine Gleichzeitigkeit der Gefühle, nur einem Lebensbereich wirklich gerecht werden zu können
Eine der ersten Fragen als (werdende) Familie ist: Wie wollen wir wohnen? Reicht der bisherige Wohnraum, bleibt die Situation vorerst entspannt. Ansonsten bringt der Sprung auf eine größere Wohnmöglichkeit auch oft die Herausforderung mit sich, dass ein Einkommen meist nicht reicht und so entsteht der Spagat zwischen dem gefühlten Doppelleben von Beruf und Familie für beide Elternteile. Ist das Kind mal etwas angeschlagen oder unglücklich in der Fremdbetreuung, wird der Arbeitstag mit schlechtem Gewissen dem Kind gegenüber begleitet. Meldet man sich zum x-ten Mal in der Arbeit für einen Pflegetag, kommt stark das Gefühl auf, kein/e gleichwertige/r Mitarbeiter/in zu sein und den KollegInnen zur Last zu fallen.

Schlägt der Zwiespalt zu sehr auf das eigene, sowie auf das Wohlbefinden der Familie, empfehlen sich einige Fragen zur möglichen Veränderung:


Wie können wir unser Netzwerk erweitern, um uns im Bedarfsfall Unterstützung zu holen?

Gerade wenn es keine Großeltern in der Nähe gibt, lohnt es sich nach Leih-Omas, Leih-Opas oder anderen Personen für die Kinderbetreuung im vertrauten Zuhause Ausschau zu halten, zu denen die Kinder eine stabile Beziehung aufbauen können. Vielleicht gibt es auch in der Nachbarschaft Familien, denen es ähnlich geht und man schafft es, sich gemeinsam zu organisieren. Gerade in größeren Städten gibt es auch viele soziale Organisationen, die gegen eine geringe Monatspauschale bedarfsorientierte Unterstützung durch geschulte Freiwillige für Familien mit Babies/Kleinkindern anbieten.

Weitere Fragen können auch sein:

  • Können wir unsere Arbeitssituation flexibler gestalten?
  • Welches Arbeitsausmaß ist wirklich notwendig, um laufende Kosten zu decken und uns als Familie abzusichern?
  • Haben wir die Möglichkeit, die fixe Anstellung teils zu reduzieren und mit anderen Fähigkeiten selbstständig und somit zeitlich flexibler zusätzliches Einkommen zu erlangen?
  • Wie familienfreundlich ist mein Job? Gibt es in meinem Bereich auch andere Möglichkeiten?


Unbeschwerte Kindheit trotz Sorgen der Eltern

 

Neben all den Sorgen, die das Leben mit kleinen Kindern mit sich bringt, ist es gleichzeitig auch eine unverwechselbar besondere Zeit: während wir uns durch den Alltag wursteln und von Woche zu Woche denken, erleben unsere Kinder ihre Kindheit, die sie prägt und die unwiederbringlich ist. Eine große Kunst des Elterndaseins besteht also auch darin, belastenden Themen einen eigenen Raum zu geben, um mit den Kindern das Hier und Jetzt genießen und ihnen eine gewisse Schwerelosigkeit mitgeben zu können.

Wo aber nun hin mit all den belastenden Gedanken, damit unsere Kinder nicht alles abbekommen?

Können Eltern-Themen rund um Konflikte, Ängste und Sorgen nicht kindgerecht aufbereitet werden, sollten sie nicht im Beisein der Kinder abgehandelt werden, sondern erst, wenn diese mit Sicherheit nichts davon mitbekommen. Um sich schon etwas leichter zu fühlen, hilft es auch oft, es sich von der Seele zu schreiben bzw. Notizen zu machen. Sorgen lösen sich so selten auf, aber sie lassen sich etwas besser zur Seite legen und man hat sich auf das verschobene Gespräch bereits mental vorbereitet.

Gemeinsame Aktivitäten stärken das Familienleben

Welche Aktivitäten kann ich/können wir mit unseren Kindern machen, die auch mir bzw. uns als Eltern gut tun? Eine Aktivität im Freien, Bewegung, Musizieren hilft nicht nur Kindern auf andere Gedanken zu kommen, sondern trägt auch zur mentalen Gesundheit der Eltern bei. Vielleicht gibt es ein Gericht, das uns gut tut, ein feiner Duft im Raum zur Bestärkung, oder eine Musik, die beruhigend wirkt.

Welchen Personen können wir uns abseits des Familienlebens anvertrauen, wenn es uns nicht gut geht?

Egal ob im Freundeskreis, einer Gemeinschaft oder einer sozialen Einrichtung. Oft hilft der Blick von außen, um selbst einen klareren Blick zu bekommen.

 

Selbstansprüche und Fremdbewertung

 

Eine weitere Gleichzeitigkeit ist jene von Ansprüchen, wie wir unser bisheriges Leben gemeistert haben und den Aufgaben, die unsere Rolle als Elternteil fordert. Kaum können wir sprechen, werden wir auch schon gefragt: „Was möchtest du werden?“ Wir lernen unsere gesamte Schul- und Ausbildungszeit hindurch, uns mit dem jeweils gewählten Beruf zu identifizieren und plötzlich rückt dieser mit dem Elterndasein in den Hintergrund. „Wie, du bist nur Mutter?“, „Was, du arbeitest nur Teilzeit?“ sind dazu nicht sehr förderliche Fragen, die einem dann oft gestellt werden. Und wenn am Ende des Tages, der Fußboden trotz ständiger Aufräumerei mit Spielsachen übersät ist, die Küche so aussieht, als hätte man den ganzen Tag nur die Beine hochgelagert und man den gefühlt 100. Streit der Kinder schlichtet, stelle ich mir selbst oft die Frage, gegen welchen „Job“ ich meinen bisherigen, für den es offenbar mehr Ruhm und Anerkennung gab, eingetauscht habe.

Hier hilft oft ein anderer Blickwinkel:

  • Wie bewerte ich selbst die Arbeit, die ich tagtäglich mache? Wo ist meine eigene Anerkennung dafür? Wenn man als Elternteil einen ganzen Tag mal eine Liste führt, wieviele scheinbar „kleinen“ Situationen man gemeistert hat, kann man stolz zurückblicken.
  • Die einzige Rückmeldung, auf die wir wirklich wert legen sollten: Können wir uns als Familie alle gesund und glücklich entfalten? Was die anderen darüber denken, zählt nicht, denn jeder sollte sein Leben selbst so gestalten, wie es ihm gut tut.

 

Die Liste an Gleichzeitigkeiten im Familienleben ließe sich noch lange fortsetzen. Was sie alle gemein haben: sie machen uns Eltern flexibler, spontaner, stärker, kreativer und zeigen uns, was intensiv leben bedeutet.

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