Gute und schlechte Geheimnisse
Als Fortsetzung auf den Artikel „Mein Körper – meine Grenzen!“ dreht es sich in diesem Beitrag um gute und schlechte Geheimnisse und wie man Kindern den Unterschied erklären kann.
Ein Aspekt in der Gewaltprävention ist es, gute von schlechten Geheimnissen zu unterscheiden, da es wesentlich ist zu erkennen, welche Geheimnisse man erzählen soll und wie man sich Hilfe holt.
Jeder Mensch hat Geheimnisse. Sie sind ein Teil unseres Lebens, doch selbst Erwachsene sind sich nicht immer sicher, ob manche Geheimnisse „erzählenswert“ sind oder eben nicht. Geheimnisse können wunderschön, aber auch unglaublich belastend sein.
Woran erkenne ich ein gutes bzw. ein schlechtes Geheimnis?
Auch Kinder lieben Geheimnisse, verstecken Schätze oder basteln Geschenke, wo niemand zusehen darf, da es eine Überraschung sein soll. Diese Geheimnisse bereiten Freude und die Kinder haben ein gutes Gefühl dabei. Die meisten Kinder können meist recht früh erkennen, dass diese Art der Geheimnisse ihnen ein gutes Bauchgefühl gibt. Diese Geheimnisse dürfen gerne geheim bleiben.
Kindern kann man erklären, dass schlechte Geheimnisse ein komisches oder schlechtes Gefühl im Bauch geben. Kinder haben das Bedürfnis, dieses Geheimnis zu erzählen, trauen sich jedoch vielleicht nicht. Denn immer wieder steht eine Drohung dahinter, wie: „Sonst haue ich dich…“, „Sonst passiert deinen Eltern etwas.“ Das folgende Beispiel soll helfen, dies zu veranschaulichen. Dem 9-jährigen Paul werden von älteren Kindern Stifte und andere Schulsachen kaputt gemacht. Die Kinder drohen ihm, dass er verprügelt wird, sollte er petzen.
Kinder wollen keine Petzen sein.
Hier ist eine klare Unterscheidung zwischen „Petzen“ und „Hilfe holen“ zu machen. Petzen sind all die Informationen, die keine große Relevanz haben wie „Meine Schwester hat heute die Socken mit Loch an.“ oder „Jan hat seine Hausübung nicht gemacht.“ In solchen Situationen geht es um eine reine „Information“, Hilfe wird jedoch nicht benötigt.
Dem gegenüber steht „Hilfe holen“
Immer dann, wenn jemand eine Situation allein nicht schafft, vor jemandem Angst hat oder eingeschüchtert wird, ist der Begriff „Hilfe holen“ angebracht. Und dies ist kein Petzen. Für Kinder ist diese Unterscheidung sehr wichtig, da sie keine Petzen sein wollen, bzw. auch nicht so genannt werden wollen.
Nicht immer geht es darum, dass das Kind Hilfe für sich selbst braucht, sondern manchmal auch für ein anderes Kind. Tim erzählt, dass er von seinem Onkel gehaut wurde. Er bittet, dass es nicht weitererzählt wird? Wenn ein Kind eine solche Geschichte hört, wird es ein schlechtes Gefühl im Bauch bekommen. Um die Situation des schlagenden Onkels zu beenden, muss Hilfe geholt werden, da nicht davon auszugehen ist, dass es das Kind allein bewältigen kann.
Situationen, in denen Kinder Hilfe brauchen, kommen nicht nur zwischen Gleichaltrigen, sondern auch zwischen Erwachsenen und Kindern vor. Ein Freund der Familie ist immer wieder eingeladen. Sie essen gemeinsam und er spielt auch gerne mit den Kindern. Wenn die Eltern nicht dabei sind, nimmt er sich das Kind auf den Schoß, auch wenn dieses es nicht möchte. Der Erwachsene meint, dass dies ihr Geheimnis sei.
In manchen Fällen droht der Erwachsene dem Kind, dass er den Eltern etwas antut, sollte es etwas sagen. Auf jeden Fall ist in diesem Beispiel Hilfe zu holen.
Bei wem hole ich Hilfe?
In diesen Beispielen ist klar zu erkennen, dass die Kinder Unterstützung brauchen, da sie diese Situationen nicht allein bewältigen können. Die Frage, bei wem sie Hilfe holen können, lässt sich mit Gegenfragen beantworten. Wem kann es Ihr Kind anvertrauen? Kann das Kind den Eltern wirklich alles sagen? Welche Personen gibt es außerhalb der Kernfamilie, denen das Kind etwas anvertrauen kann? Z.B.: Verwandte, Lehrkräfte, Trainer*innen, Jugendleiter*innen,…
Da bei Übergriffen immer wieder Drohungen gegenüber den Eltern ausgesprochen werden können, ist es gut, wenn es abgesehen von den Eltern noch andere Vertrauenspersonen gibt.
Dem Kind Glauben schenken
Vertrauen kann nicht von heute auf morgen aufgebaut werden. Auch ohne Anlassgrund ist es daher wichtig, dass gerade Eltern ihren Kindern zuhören und in ihren Gedanken und Sorgen wahrnehmen. Wenn dieses Grundvertrauen aufgebaut ist, kann ein Kind auch bei Themen, die schwieriger anzusprechen sind, sich Unterstützung holen.
Absolut wichtig ist, dass Eltern oder Personen, denen ein schlechtes Geheimnis anvertraut wurde, dieses ernst nehmen und nicht relativieren oder zur Seite schieben.
Ansonst wird das Kind nicht mehr diese Person aufsuchen, da es sich nicht ernstgenommen fühlt. Der erste Schritt ist dem Kind zuzuhören, ohne es mit Fragen zu löchern.
Weitere Unterstützung findet man bei der Organisation „Die Möwe“.
Um Kinder zu bestärken ihre Grenzen abstecken zu können (siehe Beitrag „Mein Körper – meine Grenzen!“) und den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen besser zu verstehen können Sie ein Video des Land Vorarlbergs gemeinsam mit Ihrem Kind anschauen. Hier werden einige Themen nochmals kurz erklärt: