Mein Körper – meine Grenzen!

Kinder sind nicht da, um Erwachsene glücklich zu machen! Wie Eltern ihren Kindern helfen können Grenzen zu ziehen.

Dieser Satz klingt sehr einleuchtend und logisch und wahrscheinlich würde jeder und jede dieser Aussage zustimmen. Aber ist das wirklich immer so einfach? Wie ist es für einen Erwachsenen, der überraschend mit „Bussi- Bussi“ begrüßt wird, obwohl er das gar nicht will? Wie fühlt sich eine ungewollte Umarmung an?

Die eigenen Grenzen abzustecken kann einen manchmal in innere Konfliktsituationen führen. „Ist es jetzt unhöflich, wenn ich einen Schritt zurückgehe und nur die Hand zur Begrüßung ausstrecke (anstelle von Bussi- Bussi)?“ Gedanken oder Aussagen wie: „Das gehört halt bei uns dazu.“, „So tragisch ist das nun auch wieder nicht.“ oder „Was denken sich nun die anderen über mich?“ können auftauchen.

Um die eigenen Grenzen wahren zu können, muss man sich dieser Grenzen bewusst sein. „Was will ich?“ „Was ist für mich ok?“ oder „Was passt für mich eben nicht mehr?“ Je klarer diese Grenzen für einen selbst definiert sind, umso klarer kann man sie auch seinem Gegenüber übermitteln.

Kinder brauchen Unterstützung

Kinder wissen sehr schnell, was sie mögen oder was sie nicht tun wollen. Kleine Kinder sind in dieser Weise sehr ehrlich – wenn man sie lässt und unterstützt.

Unterstützen bedeutet, dass Erwachsene deren Bedürfnis an Distanz wahrnehmen und auch respektieren bzw. sich für ihre Kinder einsetzen.

Aus Vatersicht kann ich berichten, dass meine Kinder manchmal ein Gute-Nacht-Bussi wollen und an anderen Tagen eben nicht. Ich versprachliche es ihnen gegenüber auch, dass dies absolut ok ist. Wesentlich ist, dass ich als Erwachsener dies nicht als persönliche Zurückweisung empfinde und deshalb beleidigt oder gekränkt bin.

Aussagen wie „Jetzt ist der Opa aber traurig.“ gehen in Richtung moralischer Erpressung.

Selbst wenn es nicht böse gemeint ist, so wird dem Kind vermittelt, dass es für die Traurigkeit des Erwachsenen verantwortlich ist und diesen Zustand ja auch ändern könnte. In diesen Situationen sind Eltern gefragt. Hier gilt es, das Kind zu unterstützen und vor dem Kind zu sagen: „Sie/Er muss dir auch kein Bussi geben, das ist ok so.“

Moralkeule

Meine Tochter hatte bei einem Familienbesuch das Bussi-geben gegenüber der Urgroßmutter verweigert. Die Urgroßmutter versuchte es immer wieder und wurde auch von uns Eltern aufmerksam gemacht, dass unsere Tochter das einfach nicht will. Daraufhin kam die Aussage: „Ein schlecht erzogenes Kind“. Aus Sicht ihrer – anderen – Generation hatte sie mit dieser Aussage wahrscheinlich recht. Vor einigen Jahren war es erwünscht, dass das Kind, das macht, was die Erwachsenen anschaffen. Sie wusste es nicht besser – meine Aufgabe war es jedoch, mein Kind zu unterstützen und nicht die Bedürfnisse der Urgroßmutter zu befriedigen.  

Kinder sind nicht da, um Erwachsene glücklich zu machen!

„Danke für das Geschenk, aber küssen mag ich dich nicht.“

Der Familienbesucher, der ein Geschenk mitgebracht hat, hat kein automatisches Anrecht auf körperliche Zuwendung. Auch das klingt einleuchtend, und trotzdem wird gesellschaftlich von Kindern immer wieder erwartet, dass sie sich mit einem Bussi bedanken. Das kann das Kind auch gerne machen, jedoch nur, wenn es das wirklich will und nicht, weil es erwartet wird.

Kinder sollen lernen, die eigenen Grenzen kennenzulernen, wahrzunehmen und dann auch zu ihnen stehen zu können. Daher ist es wichtig, dass Kinder bei diesen Prozessen Unterstützung erfahren und somit Klarheit entwickeln. Kinder, denen gesagt wird, dass „das halt dazugehört“, schaffen dies deutlich weniger. Ganz im Gegenteil. In Situationen, in denen ihnen etwas unangenehm ist, ertragen sie es, da es ja so gelehrt wurde. So kann es sein, dass ein neuer Besucher das liebe kleine Kind einfach auf den Schoß nimmt und das Kind die Situation erträgt, anstatt zu sagen „das mag ich nicht“.

Auf lange Sicht lernt das Kind ungewollte Nähe auszuhalten. Der Klavierlehrer, der zu nahe sitzt, die Nachbarin, die das Kind fest drückt (obwohl sie komisch riecht) sind nur ein paar Beispiele dafür.

Um sich vor Übergriffen zu schützen, ist es wichtig, dass ein Kind solche Situationen ansprechen kann.

Wie sag‘ ich es?

Kein Bussi zu bekommen, nicht auf dem Schoß sitzen zu wollen oder Ähnliches kann von Erwachsenen als Ablehnung aufgenommen werden. Kindern fällt es gerade dann schwer, „nein“ zu sagen, wenn sie die Person mögen, aber nicht das, was sie gerade macht.

„Ich mag dich, aber ich möchte dir kein Bussi geben“, ist eine mögliche Formulierung. „Ich lerne gerne bei Ihnen Klavier, aber es ist mir unangenehm, wenn Sie so nahe bei mir sitzen.“

War diese Situation unbewusst von Erwachsenen herbeigeführt, so ist es eine hilfreiche Information, an die man sich schnell anpassen kann. Man erwartet jetzt wirklich kein Bussi bzw. rutscht ein Stückchen weiter weg.

Es wurde eine Grenze aufgezeigt, die auch in der Prävention von Missbrauch eine wichtige Rolle spielt.

Erfährt ein Täter bei den ersten Annäherungen Widerstand, so ist die Chance da, dass er keine weiteren Versuche unternimmt. Daher gilt es, Kinder zu unterstützen, auch auszudrücken, wenn sie etwas nicht wollen. Denn nur so können sie sich ihrer eigenen Grenzen bewusstwerden und diese auch einfordern.

Literaturtipps

Buch: Mein Körper gehört mir

Bilderkartenset: Als Kamishibai Bilderkartenset

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