Mit Kindern über (Existenz-) Ängste sprechen
Jedes Kind verdient eine wohlbehütete Kindheit. Dazu gehört auch, dass es Dinge gibt, die man ausschließlich mit seinem Ehepartner bespricht. Doch was, wenn es nicht mehr anders geht?
Corona hat uns diesbezüglich offenbar verändert. Auch in der Hinsicht, wie wir mit unseren Kindern (8 und 12 Jahre) kommunizieren. Das liegt wohl nicht zuletzt auch daran, dass wir, wegen Home-Office und Home-Schooling, so viel Zeit auf begrenztem Raum miteinander verbracht haben wie noch nie zuvor in unserem Leben.
Es war also schlicht und einfach weniger Zeit und Raum eigene Gefühle zu „verstecken“. Nicht, dass wir das bisher in einem größeren Ausmaß gemacht hätten. Aber es gab mehr Freiraum, in denen wir Probleme, Sorgen und Ängste unter uns regelten. Jetzt waren uns die Kinder näher. Räumlich und thematisch.
Vor allem deshalb, weil sie jetzt merkten, dass unsere Krise auch ihre Krise war. Wir saßen alle gemeinsam in einem Boot. Nicht interne Unstimmigkeiten zwischen Eheleuten oder Jobsorgen waren im Zentrum, sondern eine gemeinsame „Bedrohung“, die von außen kam und das Familien- und Zeitgefüge ebenjener gehörig durcheinanderwirbelte.
Wie darüber sprechen?
Dennoch ist es nicht leicht. Sollte man Kinder noch zusätzlich belasten? Reicht es nicht, wenn sie sich jetzt an die sogenannte „Neue Normalität“ inklusive Maske und Abstand gewöhnen müssen? Müssen da auch noch Eltern mit existenziellen Sorgen auf sie zukommen und sie in diese einweihen?
Es gibt darauf keine eindeutige Antwort. Aber obige Gründe haben uns dazu veranlasst, darüber zu sprechen. Natürlich in einer Art und Weise, dass es kindgerecht ist. Aber macht es wirklich Sinn zu lügen, wenn es darum geht, warum Papa jetzt mehr Zeit hat und öfter zuhause ist? Man könnte etwas von „Auszeit“ erfinden, von einer bewussten Entscheidung.
Aber man kann auch darauf hinweisen, dass das Virus etwas gemacht hat mit dem Arbeitsumfeld von Papa. Er, selbstständig, hat einige Aufträge weniger, weil viele seiner Kunden ebenfalls ums Überleben kämpfen.
Existenzsorgen: Macht es wirklich Sinn die Kinder anzulügen?
Damit verbinden kann und sollte man aber auch hoffnungsvolle Aspekte. Die Hoffnung darauf etwa, dass in absehbarer Zeit alles besser bzw. wieder „wie vorher“ werden wird. Bis dahin, so könnte der Tenor sein, kann man die intensivere Zeit mit Papa einfach genießen. Denn an sich müsse man sich keine Sorgen machen, denn Mama habe einen krisensicheren Beruf. Zu größeren Einschränkungen in Bezug auf Lebensstil wird es somit nicht kommen.
Es tut jedenfalls gut, darüber zu reden. Auch deshalb, weil dann die Fragen nicht mehr häufig kommen, warum die Eltern hin und wieder bedrückt oder gar traurig sind. Etwas, das bis dahin eigentlich unüblich war.
Auch nur Menschen…
Das zeigt den Kindern dann auch, dass Papa und Mama auch nur Menschen sind. Und im besten Falle auch, dass sie sich, trotz aller Widrigkeiten, stark darum bemühen, dass das Leben dennoch leicht und unbeschwert bleibt. Es zeigt sich, dass sie fürsorglich sind, auch in schweren Zeiten. Und dass hinter den Kulissen viel in Bewegung gesetzt wird, dass es den Kindern nach wie vor so gut wie möglich geht.
Dadurch raubt man Kindern keineswegs ihre Kindheit. Man zeigt vielmehr, dass es durchaus Aufwand braucht, um das Familienglück so harmonisch wie möglich zu gestalten. Und es zeigt, dass diese Harmonie nicht mit dem Verschweigen von Problemen zu tun hat, sondern mit dem Umgang und dem Bewältigen ebenjener.
Natürlich ist all das eine Altersfrage. Es wird wenig sinnvoll sein, ein sechsjähriges Kind in die Problematiken einzuweihen. Aber ab 11 Jahren oder älter darf man das einem Kind schon zumuten. Natürlich nicht in stundenlangen Diskussionen. Aber auf Nachfragen, warum es Papa oder Mama heute mal nicht so gut geht und warum sich einige Zeit-Parameter seit einigen Wochen verschoben haben. Es ist zumutbar und stärkt letzten Endes sogar den Familienzusammenhalt!