Sommerhelden 2020
Wir haben im März die Supermarkt-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unermüdlich Klopapier gestapelt haben und schwere Dosen-Paletten über die Kasse gezogen haben, gerühmt und im April das Pflegepersonal, das auf den Covid-Stationen Unmenschliches geleistet hat, beklatscht.
Sie waren wirklich alle Helden ebenso wie die Busfahrer, Rettungsfahrer, Präsenzdiener…., die unser System erhalten haben.Jetzt im Covid-Sommer 2020 aber möchte ich neue Helden zumindest verbal beklatschten: All jene, die heuer in den Ferien Kinder betreuen, haben wirklich auch einen besonderen Applaus verdient.
Diese Sommerferien stellen nämlich viele Familien vor die Situation, dass die Eltern den ganzen Urlaub bereits verbraucht haben oder jetzt nicht nehmen dürfen, dass sie die Kinder aber auch nicht – wie bei vielen Familien mit Migrationshintergrund üblich – zu den Großeltern ins Herkunftsland schicken können. Auch von österreichischen Großeltern aus einer Risikogruppe werden die Enkel oft nicht so gern übernommen, weil sie Angst vor dem Virus haben. Kurzum, es gibt viel mehr Kinder zu betreuen als sonst und viele traditionelle Betreuungseinrichtungen können aufgrund der Auflagen weniger Kinder nehmen als in der Vorjahren. Was bleibt, ist ein riesen Betreuungsplatzdefizit und gestresste Eltern.
In dieser Situation ist so mancher kleiner Verein oder auch größere Betreuungseinrichtung kreativ geworden und zahlreiche Studierende haben einen Ferienjob als Betreuer/in angenommen.
Dabei sind die Auflagen auch für diese kreativen Betreuungsprojekte natürlich streng und jeder Tag stellt die Verantwortlichen vor neue Herausforderungen. Da ist z.B. auf einer Waldlichtung am Stadtrand ein Feriencamp im Freien entstanden, es gibt nur ein paar Zelte als Depot und Bänke in freier Natur, dafür einen Bach, einen kleinen Stausee, eine Wiese, den Wald … sieht traumhaft aus, bei Sonne und trockenem Wetter jedenfalls. Aber man frage nicht, wie die Betreuerinnen und Betreuer die durchweichten Kinder an einem kühlen Regentag bei Laune halten!
Es wird improvisiert
Auch in der größeren Einrichtung, in der meine Töchter ferial arbeiten, wurde improvisiert: Auf dem großen Gelände wurde eine Zeltstadt aufgestellt. Schaut sehr lustig aus, aber weil 120 Kinder nicht ins Hauptgebäude stürmen können, mussten Dixi-Klos bereitgestellt werden und das Trinkwasser kommt aus Kanistern. In den Zelten ist es bei Sonne glühend heiß und bei Regen feuchtkalt. Es wird möglichst viel im Freien gespielt, die Wiese ist ja super groß, aber Bienenstiche stehen an der Tagesordnung.
Durch die Temperaturschwankungen gibt es auch verkühlte Kinder und unter dem Plexiglashelm heiser geschriene Betreuer, was dann jedes Mal für etwas Panik sorgt. In der Früh wird Fieber gemessen und jedes heuschnupfende Kind löst Angst aus. Dazu kommt, dass die Kinder nach der langen Heimschulphase ihr Sozialverhalten teilweise wieder einüben müssen und einige zu Aggressionen neigen, andere wiederum ihren Bewegungsmangel kompensieren müssen. Nicht zuletzt sind auch einige übervorsichtig und trauen sich gar nichts mehr bzw. ermahnen ständig die anderen und die Betreuer, Abstand zu halten, was bei diesen wiederum Unmut auslöst.
Animateurinnen, die bei größter Hitze mit Mundschutz Kinder im 1m-Abstand voneinander unterhalten mussten, konnte ich aber auch im Urlaub bewundern. Die waren auf ein lustiges Spiel gekommen, wo jedes Kind in seinem eigenen Kreidekreis stand … sah auch nett aus, aber anstrengend! Auch Lernen ist bei manchen Kindern angesagt und so stehen bei einem Sozialverein in der Nachbarschaft jetzt zwei lange Bänke im Garten und Studentinnen betreuen dort junge Schüler und Schülerinnen aus sozial schwachen Familien. Wo die bei Regen hingehen, konnte ich noch nicht beobachten.
Fakt ist …
All diese (zumeist) jungen Menschen, die diesen Sommer damit verbringen, Kinder zu betreuen, haben sich ihren Titel „Sommerhelden 2020“ wirklich verdient. Dass sie mit diesen Jobs nicht viel Geld verdienen, ist Tatsache. „Aushilfe“ steht auf dem Lohnzettel meiner Tochter und was sie pro Stunde verdient, ist wohl unter jedem Kollektivvertrag. Kinderbetreuung scheint eine Tätigkeit zu sein, die der Gesellschaft nicht viel wert ist …. sogar weniger als Autoreinigung und ähnliches.
Für die Kinder und deren Eltern sind die Betreuerinnen und Betreuer jedoch unbezahlbar: Sie machen nach diesen monotonen und steifen Zeiten wieder gute Laune, sorgen für Abwechslung und Bewegung und trainieren soziales Verhalten. Und das Ganze bei Regen und Hitze, mit Mundschutz, Visier und Dauerdesinfektion, im Freien, in Zelten, im Wald, unermüdlich und mit ganz viel Geduld und Engagement …. Bitte applaudiert auch diesen Coronahelden!