Wenn den Eltern die Kraft ausgeht

Die Ferien sind in vollem Gange. Eigentlich eine schöne Zeit. Doch sie kann auch anstrengend sein. Wie findet man in den relaxten Urlaubsmodus?

Ich muss ehrlich sein: Ich bin aktuell erschöpft. Sehr müde. Von sehr vielen Dingen des Alltags überfordert. Und das, obwohl aktuell nicht mehr so viele Dinge organisiert werden wollen, wie zur „normalen Zeit“. Wie im Schulalltag.

Eigentlich sollte alles gegenwärtig leichter sein.

Woran liegt es?

Womöglich auch an der übertriebenen Erwartungshaltung. Daran, dass man glaubt, den Alltagsstress abschütteln zu können und es doch nicht gelingt. Viel mehr noch, weil man stetig das Gefühl hat, nicht zu genügen. Die Kinder nicht ausreichend zu „bespaßen“, zu versorgen, mit ihnen nicht genug zu unternehmen.

Nehmen wir die „Kleine“ – 12 Jahre alt. Sitzt sie nicht zu viel im Zimmer, schaut zu viel in ihr Tablet, unternimmt sie zu wenig mit Freunden?

Automatisch kommt man dahin, dass man „Input“ geben will: Spielen, miteinander Ausflüge machen. Zumindest gemeinsam einen Film ansehen und darüber diskutieren.

Doch die Situation klafft natürlich: Die Eltern müssen zum Teil arbeiten, die Kinder haben frei. Das kollidiert: Auf der einen Seite steht zu viel Zeit, auf der anderen Seite zu wenig. Und diese wenige Zeit wird dann auch noch nicht gemeinsam verbracht. Das irritiert, erschöpft, macht mich selbst auch wütend und enttäuscht.

Enttäuscht von mir selbst, dass ich diesen Spagat nicht besser bewältige.

Es wäre aber gewissermaßen auch die Quadratur des Kreises: Wie diese Spannung auflösen von gänzlich unterschiedlichen Zeithorizonten und Zeit-Pools? Es hätte etwas von Aufopferung, von absoluter Selbstausbeutung, von einem Weg, der noch mehr hinführt zur aktuell schon gegenwärtigen Erschöpfung.

Was also tun?

Womöglich die eigenen Unzulänglichkeiten akzeptieren? Oder daran arbeiten, dass man alles besser bewältigt und eben mehr Zeit und mehr Muße findet, egal, was auch komme und wie sehr man sich damit selbst an den Rand der absoluten Erschöpfung treibt?

Oder sollte man sich schon auf den gemeinsamen Urlaub freuen, der in diesem Jahr – wie traditionell – wieder in den letzten zwei Wochen vor Schulbeginn in Richtung Italien führt? Dieses Sehnsuchtsland, das auch meiner Frau und mir seit Kindheitstagen an als ein Ort erscheint, an dem die Uhren anders gehen, die Dinge mehr in Einklang sind und familiäres Zusammensein tatsächlich funktioniert. Ganz einfach, weil Erwartungsdruck und wie auch immer gearteter Selbstzweifel wie weggeblasen sind.

Selbst im darüber Schreiben im Hier und Jetzt hat es bereits eine Wirkung. Die Hoffnung auf diese Zeit, in der alles in Balance scheint. Vielleicht ist es aber auch bereits das Benennen dieser Situation, in der ich mich als Vater derzeit befinde, die mich schon besser fühlen lässt. Es tut gut es auszusprechen, bzw. niederzuschreiben. Sich einfach eingestehen, dass man eben nicht perfekt ist und auch eine gehörige Portion Selbstzweifel hat. Die aber abzulegen sinnvoll ist, allein schon der Kinder wegen, die wohl einen gut „funktionierenden“ Vater verdient haben. Aber durchaus auch einen Vater, der von Zeit zu Zeit eingesteht, dass ihm alles zu viel und der darüber auch zu sprechen versteht.

Denn nichts ist ungünstiger als eine Person, die nur den Schein, die Fassade wahrt. Hin und wieder ist es auch gut, die eigenen Kinder hinter die Fassade blicken zu lassen. Denn dahinter lauert ein Mensch, mit Sorgen, Problemen und Abgründen und eben nicht „nur“ ein Vater, der zu jedem Zeitpunkt das absolute Beste aus jeder Situation herausholen und das Beste für seine Kinder bereitstellen möge. Dass er sich dafür hintanstellt, ist logisch. Dass er sich dafür auch verausgabt über die Grenzen des Möglichen hinaus, liegt auf der Hand.

Dennoch möchte ich – und das möchte ich hier wiederholt betonen – auch von Zeit zu Zeit „schwach“ sein dürfen. Kraftlos. Verbunden mit dem dringenden Bedürfnis nach „Me-Time“, das „We-Time“ im Alltag mit Kindern gegenübersteht und aus der sich so viel Kraft schöpfen lässt. Es wird. Es wird werden. Es wird besser. Auch in den Ferien.

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