Wie ich unsere 3 Fehlgeburten verarbeitet habe – Teil 2/2

In Teil 1 des Artikels habe ich geschrieben, dass wir drei Fehlgeburten gehabt haben und wie es für mich war. In diesem Artikel möchte ich dir erzählen, was während der Verarbeitung herausfordernd war für mich, was geholfen hat und was vielleicht auch dir helfen könnte.

Das war herausfordernd:

  • nach der ersten Fehlgeburt: dass ich nicht gewusst habe, ob ich je ein gesundes, lebendes Kind haben werde und ob das noch öfters passieren wird.
  • dass sich alles leerer und hoffnungsloser angefühlt hat.
  • als das Verhältnis 1:3 war – ein lebendes Kind, drei tote Kinder. Da hat es manchmal Gedanken gegeben wie: „Mein Körper ist zu schwach, um Kinder auszutragen.“ „Muss ja wohl ich schuld dran sein.“
  • Dass ich gleichzeitig mit meiner Schwerster schwanger war und sie ihr Kind behalten konnte, wir unseres aber verloren haben. Dass sie vier Kinder hat. Ich auch, aber drei davon gestorben sind.
  • Kommentare wie: "A ja mei, du bist ja noch jung! Wird schon noch klappen!" (Jaaaaa, aber ich trauere jetzt gerade über unser Kind)
  • dass vielfach über verlorene Kinder geschwiegen wird.
  • Der Gedanke: mein Kind ist gestorben, und ich war gedanklich nicht bei ihm – ich weiß nicht mal genau, wann es gestorben ist. Und ich hab’s nicht retten können.
  • Bei der 2. und 3. Fehlgeburt: dass meine Tochter auch dann da war, als mich die Trauer übermannt hat. „Mama, nochmal Raketenstart!!!“ – „Ok, von mir aus“. Gedacht hab ich mir: Neeeeeeiiiiiin, ich will dich an der Schaukel nicht nochmal anschubsen, ich will einfach nur weinen. Oder: „Mama, sau mal, meine neuen Swimmflügel!“ – „Aaaah, ja schön, die können wir dann bald ausprobieren!“ In Gedanken: Kannst du bitte einfach nur weggehen, ich mag mich verstecken und allein sein.

 

Das herausfordernste UND das schönste während der Trauerzeit von Kind 3 und 4 war für mich: ein fröhliches Kleinkind nebenbei zu haben. Herausfordernd, weil es da war und ich nicht trauern und weinen konnte bzw. wollte. Schön, weil es da war und wir schon ein Kind gehabt haben und es mich teilweise von der Trauer abgelenkt hat, und weil ich weiterhin eine wichtige Aufgabe gehabt habe.

Trauerprozesse können lang oder kurz sein, linear oder eine wilde Gefühlsachterbahn (obwohl: eher wild als linear). Es gab einige Dinge, die bei der Aufarbeitung hilfreich waren. 

Das hat geholfen:

  • Dass mein Mann und ich gemeinsam getrauert haben und dadurch eine schöne Verbundenheit entstanden ist.
  • Dass wir Blumen und Beileidskarten bekommen haben.
  • Dass uns jemand erzählt hat, wo das Grab für die Sternenkinder am Friedhof ist.
  • Ich habe es vielen Leuten erzählt. Dadurch bin ich einerseits draufgekommen, dass es viele viele gibt, die auch ein Kind verloren haben. Andererseits konnte mich dann eine Freundin, die auch ein Kind verloren hat, sofort anrufen, weil sie gewusst hat, dass wir etwas gemeinsam haben und ich daher für ihre Situation Verständnis haben werde.
  • Wir haben allen unseren Kindern Namen gegeben. David, Michael, Friederike. Das hilft mir, sie nicht als „neutralen Zellhaufen“ zu sehen.
  • Wir denken immer wieder an sie, auch an bestimmten Zeitpunkten. Meines Erachtens gibt es ein paar Daten, die sich gut zum Gedenken eignen: das vermutete Zeugungsdatum, der errechnete Geburtstermin, der vermutete Tag, wann es ungefähr gestorben ist, oder der Tag der Blutung. Es würde sich auch der Namenstag des Kindes eignen. Oder Allerheiligen/Allerseelen. Oder der 2. Sonntag im Dezember. Da findet das „Worldwide Candle Lighting“ statt, wo Eltern um 19 Uhr für eine Stunde eine Kerze in ein Fenster stellen, um ihrer verstorbenen Kinder zu gedenken.
  • Wir sprechen immer wieder von ihnen. „Mama, ich hab vier Geschwister, oder? Eine Schwester auf der Erde, und drei im Himmel, oder!? Baby Träubchen, Baby Reisi und Chilly Linsi.“ (Das waren die „Bauchnamen“ unserer Babies).
  • Oder: „Mama, gibt es im Himmel Dinosaurier?“ – „Äääääh, puh, weiß ich jetzt auch nicht, ich glaub schon!?“ – „Fressen die Dinosaurier dann eh nicht unsere Babies?“
  • Wir haben sie geistig getauft. Ich habe das ausgesprochen: Michael, Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
  • Jedes Kind hat eine (Tauf)Kerze.
  • Ich habe ein Ultraschallbild eingerahmt.
  • Ich habe in mein Tagebuch geschrieben, wie es mir geht. Teilweise auch in Briefform an unser Kind.
  • Einen Embryo haben wir, begleitet von Liedern und Gebeten, in einem kleinen Wäldchen vergraben.
  • Mein Papa ist vor 2 Jahren gestorben. Ich stelle mir dann manchmal vor, dass er unsere Kinder schon kennt und mit ihnen spielt und ihnen der Opa ist, der er für unsere zwei Töchter hier nicht sein kann. (Jetzt fange ich gerade an zu weinen).
  • Dieser Text von einem lieben Bekannten: An meinen toten Sohn
  • Die Blutung beim dritten Abgang hat während eines Waldspaziergangs angefangen. Irgendwie war das schön und ich habe mich verbunden gefühlt, weil es mitten in der Natur war. Ich habe mich trotz der Trauer und der Schmerzen getragen gefühlt.
  • dass ich herausgefunden habe, dass fehlgeborene Kinder standesamtlich beurkundet werden können, also dass sie auch eine „offizielle Existenz“ haben können.
  • In Gebeten Gott immer wieder von meinem Schmerz erzählt. Z.B. habe ich Gott einmal gefragt: DREI Fehlgeburten!? Hat das sein müssen? So viele? Hätte nicht eine gereicht? Gefühlt war die Antwort: Du hast dir immer eine große Familie gewünscht. Du hast jetzt 5 Kinder, und so habt ihr es leichter auf der Erde.
  • Mit einem lebenden Kind schwanger zu sein.

 

Wie war es für dich?

Falls du eine Fehlgeburt erlebt hast: war etwas dabei, wovon du dir denkst: Ja, das könnte mir auch helfen, das könnte ein nächster Schritt sein?

 

Fazit

Wir haben mittlerweile eine 6jährige Tochter, eine 1jährige – und 3 Kinder im Himmel. David, Michael und Friedi: ich freue mich schon sehr sehr sehr darauf, wenn ich euch kennen lernen werde! Eure Mami, die euch sehr liebt

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Rebecca Thums

Weitere Artikel des Autors lesen