Unser Elternsein – so seltsam das erstmal klingen mag – beginnt im Bauch unserer Mutter. Ab diesem Zeitpunkt machen wir die ersten eigenen Erfahrungen, wie es ist und was es bedeutet, eine Mutter/ein Vater zu sein. Wir erleben alles, was unsere Eltern sagen und tun.

Und wie sie es sagen und tun. Wir fühlen alles, was unsere Mutter fühlt. All das ist schon Teil des „Eltern-Programms“, das abgerufen wird, sobald wir es benötigen. Natürlich nicht bewusst, denn niemand kann sich  daran erinnern. Auch an die ersten paar Jahre unserer Kindheit können wir uns kaum erinnern. Und doch ist alles Erlebte in unserem Gehirn gespeichert.

Nachahmung

Mama und Papa leben uns zumindest 18 Jahre lang - meistens viel länger ;-) - täglich vor, wie man sich als Eltern verhält und sind unsere einzigen Vorbilder für die Elternrolle. Daher haben wir, sobald wir selbst diese Rolle einnehmen, nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir machen es ihnen nach – oder wir tun das Gegenteil. Je nachdem, wie wir ein bestimmtes Verhalten unserer Eltern als Kinder erlebt haben. Was wir für „gut“ befinden, womit wir uns wohlgefühlt haben, machen wir nach. Was wir als „schlecht“ befinden, worunter wir gelitten haben, werden wir bei unseren eigenen Kindern tunlichst vermeiden. Zumindest versuchen wir das, ob es gelingt, naja, wohl nicht immer, da das „Nachahm-Programm“ trotzdem oft stärker ist als alle unsere guten Vorsätze.

Dieses „innere Eltern-Muster“ ist einerseits ein guter Wegweiser, kann uns aber andererseits davon abhalten bzw. es uns erschweren, unsere Pläne und Vorsätze in die Tat umzusetzen.

Und das sowohl bei den „großen“ Lebensentscheidungen als auch bei Kleinigkeiten im Alltag.

Abhängig vom persönlichen Empfinden

Eine Freundin von mir ist die ältere von zwei Schwestern. Ihre Mutter war immer zu Hause bei den Kindern und war Tag und Nacht für sie da. Meine Freundin hat die viele Zeit und Aufmerksamkeit ihrer Mutter genossen und somit hat ihr „Programm“ entschieden, es so wie die Mama zu machen, also 2 Kinder, Hausfrau, viel Zeit für die Kinder.

Ihre Schwester, die unter genau den gleichen Bedingungen aufgewachsen ist, hat die permanente Anwesenheit der Mutter als Druck und Einschränkung ihrer Freiheit empfunden. Sie hat auch zwei Kinder, aber sie ist immer arbeiten gegangen und hat sich viel weniger um ihre Kinder gekümmert – na klar, die sollten ja nicht so viel Druck haben und frei sein.

Papa und Mama bringen unterschiedliche Erfahrungen mit

Diese Programme können auch dazu führen, dass wir uns als Eltern nicht einigen können. Ein Beispiel aus meinem Leben: Mein Mann und ich sind beide bis zu unserem 12. Lebensjahr bei unseren Großeltern aufgewachsen, weil unsere Eltern selbstständig waren und wenig Zeit für uns hatten. Also rein faktisch genau das Gleiche, aber gefühlt eine Welt von Unterschied.

Für mich war es ganz toll. Ich hatte eine super Kindheit mit vielen Freiheiten. Für meinen Mann war es die Hölle. Er hat sich abgeschoben und vernachlässigt gefühlt und sehr darunter gelitten.

Tja, und nun ging es darum, dass unser Sohn mit knapp einem Jahr ein Wochenende bei seinen Großeltern (meinen Eltern) verbringt. Können Sie sich vorstellen, was da los war? Welchen Kampf wir ausfochten ohne die geringste Chance auf Einigung? Für mich galt „Großeltern sind das Paradies“, für ihn galt „Großeltern sind die Hölle“. Mein Programm befahl: „Das Kind gehört oft zu den Großeltern“, sein Programm befahl: „Das Kind darf niemals zu den Großeltern“.

Ausprobieren und beobachten

Erst viel später erkannten wir, dass es nur unser eigenes Erleben in der Kindheit war, das einer Einigung im Weg stand. Wir haben beide (unbewusst) geglaubt, dass sich unser Sohn bei seinen Großeltern genauso fühlen wird, wie wir uns jeweils gefühlt haben. Und sind nicht auf die Idee gekommen, dass unser Erleben nichts mit unserem Sohn zu tun hat und wir daher gar nicht wissen können, wie es ihm bei seinen Großeltern geht. Und anstatt es auszuprobieren und ihn dann zu fragen bzw. zu beobachten, wie es ihm geht, haben wir wochenlang gestritten. Ach ja, es ist ihm übrigens hervorragend gegangen und er war dann relativ oft und sehr gerne bei seinen Großeltern ;-).

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