Wieviel soll ein Kind selber entscheiden?
Wieviel können oder sollen Kinder entscheiden? Der tägliche Kampf um die Garderobe, die Frage, was es zur Jause gibt oder wieviel auf den Teller kommt, wann Bettgehzeit ist oder die so wichtige Entscheidung über Kindergarten und Schule: Inwieweit sollen wir unser Kind entscheiden lassen?
Es gab Zeiten, in denen einem Kind kaum irgendwelche Kompetenzen und daher Entscheidungsfähigkeiten zugesprochen wurden. Entscheidungen trafen die Erwachsenen und man kam gar nicht auf die Idee, dass ein Kind dagegen etwas einwenden könnte.
Dies ist mittlerweile abgelöst worden von einer Haltung, in der Kinder oft als fast fertig entwickelte Menschen betrachtet werden, die ziemlich genau wissen, was ihnen gut tut und was sie möchten und denen daher sehr viele eigenständige Entscheidungen zugemutet werden – was jedoch für manches Kind durchaus ein Stück weit Überforderung bedeutet.
Kinder können entscheiden, wenn sie Konsequenzen tragen können
Entscheidungen selbstständig zu treffen erweitert unsere Lebenserfahrung und stärkt dadurch Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl zugleich. Daher ist es gut, unsere Kinder in diese miteinzubeziehen bzw selbst entscheiden zu lassen. Andererseits können insbesondere kleinere Kinder nur ihre unmittelbaren Bedürfnisse erkennen. Sie haben einen zeitlich kurzen Horizont und keinen Blick für das, was über ihre Person hinausgeht oder die Bedürfnisse anderer betrifft. Sich über all dies keine Gedanken machen zu müssen, ist letztlich auch ein Privileg des Kindseins.
Daher sollen Kinder vor allem jene Entscheidungen treffen, bei denen es sich um unmittelbare Dinge handelt, deren Konsequenzen sie abschätzen und durchaus selber tragen können. Dazu gehört z.B. die Wahl der Kleidung, der Jause, die Frage, auf welchen Spielplatz man geht, oder andere Kleinigkeiten des Alltags.
Dabei sollte man dafür sorgen, dass Alternativen, die gar nicht erst in Frage kommen, natürlich von Vornhinein ausgeschlossen sind. Das heißt die Sommergarderobe steht im Winter gar nicht erst einmal zur Auswahl (am einfachsten ist es natürlich, wenn sie gar nicht erst im Kleiderkasten hängt).
Bei einer Entscheidung bleiben
Ein Kind sollte auch lernen, dass wenn es einmal eine Entscheidung getroffen hat, es bei dieser auch bleiben sollte. Wählt ein Kind ein Kipferl zur Jause, ist ihm zuzumuten, dass es dieses aufisst, selbst wenn es auf halber Strecke meint, dass die Nussschnecke doch besser gewesen wäre.
Wenn wir auf der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz unser Kind bei der Besichtigung verschiedener Möglichkeiten mitnehmen, wird unser Kind durchaus eine eigene Wahl treffen. Es kann sein, dass in einem Kindergarten gerade eine besonders gute Jause auf dem Tisch steht oder in der Garderobe besonders süße Bilder hängen und unser Kind daraufhin begeistert ist von genau diesem Kindergarten. Das ist durchaus positiv, schließlich soll es sich ja darauf freuen können. Ob aber das inhaltliche Angebot oder die Eignung der Pädagoginnen – also relativ wichtige Kriterien für die langfristige Förderung unseres Kindes – passen, kann das Kind weder abschätzen, noch wird es das interessieren. Entscheidungen, deren Tragweite für ein Kind gar nicht erkennbar sind, sollten daher von uns Eltern getroffen werden. Was nicht heißt, dass die Vorlieben und Wünsche unserer Kinder dabei nicht berücksichtigt werden dürfen.
In vielen Fällen müssen Eltern den Kindern die Entscheidung abnehmen, weil sie die Zusammenhänge verstehen. Das ist eine Entlastung für das Kind.
Entscheidungen der Eltern entlasten die Kinder
Immer wieder schieben Eltern die Verantwortung auf das Kind, welches sie entscheiden lassen – aus Angst davor, zu bevormunden. „Du wolltest ja unbedingt so spät ins Bett gehen, da kann ich nichts machen, wenn du jetzt so müde bist.“ Für ein kleines Kind ist das eventuelle Schlafbedürfnis des nächsten Tages kein Grund, am heutigen Tag früher schlafen zu gehen. Es kann auch mit den Vorteilen eines regelmäßigen Tages- und Nachtrhythmus wenig anfangen, oder versteht nicht unbedingt, was das Erholungsbedürfnis der Eltern mit den eigenen Schlafenszeiten zu tun haben soll. In Unkenntnis dieser Zusammenhänge ist es auch hier wichtig, dass Eltern diese Entscheidung übernehmen. Dass dabei auf die konkreten Schlafbedürfnisse des jeweiligen Kindes Rücksicht genommen werden sollte, versteht sich von selbst.
Solche Entscheidungen seitens der Eltern sind aber keine Bevormundung, sondern Entlastung des Kindes, das in Unkenntnis vieler wichtiger Kriterien in diesem Fall nur irgendwann todmüde in den Schlaf fallen würde.
Die Entscheidungskompetenzen ausweiten
Zuletzt ist es wichtig, die Entscheidungskompetenzen eines Kindes Jahr für Jahr anzupassen und mit zunehmendem Alter auszuweiten. Die persönliche Zeiteinteilung, die Wahl von Freizeitbeschäftigungen und Hobbys, die Verwendung des Taschengeldes, all dies sind Bereiche, die mit der Zeit hinzukommen und in Abhängigkeit von Charakter und Reife des Kindes diesem immer mehr überlassen werden sollten.
Dass ein Kind bei seinen kleinen Entscheidungen auch Fehler machen kann, soll uns als Eltern nicht davon abhalten, sie selber entscheiden zu lassen.
Denn der Mensch lernt bekanntlich aus Fehlern am allermeisten. Wenn ein Kind den Nachmittag einmal fröstelnd im Park verbracht hat, weil es sich unbedingt gegen die wärmere Jacke entschieden hat, wird es sich das hundert Mal besser merken, als durch alle unsere Ermahnungen davor.