Bei welchen familiären Problemen kann eine Familienaufstellung helfen?
Im Gespräch mit Lebens- und Sozialberaterin Petra Kuba. Hellinger und seine „Ordnungen der Liebe“ sind berechtigterweise immer noch stark umstritten. Dennoch habe ich persönlich die Methode der Familienaufstellung an sich stets als sehr befreiend, klärend und lebensverändernd erlebt.
Erst vor Kurzem verwandelte sich eine absolut ausweglose Situation in anhaltenden Erfolg und Konflikt belastende Beziehungen wichen überraschendem Frieden. Doch um was geht es wirklich und in welchen Situationen kann eine Familienaufstellung vor allem Familien mit Kleinkindern helfen?
Was ist eine Familienaufstellung?
Es geht hier in erster Linie nicht um die Arbeit an sich selbst, an eigenen Traumata, Verletzungen oder Verhaltensänderungen. Die Familienaufstellung basiert auf dem systemischen Ansatz, dass jeder Mensch immer in Beziehungen steht. Und dem Gedanken, dass unbewusst auch die Beziehungen zu längst verstorbenen Familienmitgliedern auf unser Leben einwirken können.
Da unser Leben und Weltbild zu einem großen Teil von unserer Ursprungsfamilie geprägt wird können auch Glaubenssätze oder unausgesprochene Regeln unser Fühlen und Handeln beeinflussen, ohne dass uns dies bewusst ist.
In einem Gruppensetting geleitet durch einen Aufstellungsleiter, werden die Mitglieder unserer (Ursprungs-) Familie von anderen Personen stellvertretend dargestellt. Durch das konkrete Bild, das so im Raum entsteht, können Muster innerhalb des Systems wahrgenommen und positiv verändert werden. Im Gegensatz zu einer Therapie ist keine längerfristige, regelmäßige Arbeitsbeziehung zu einem Therapeuten notwendig, sondern es reicht meist eine Aufstellung aus. Diese wirkt in der Regel unmittelbar.
In welcher Lebenslage ist eine Familienaufstellung sinnvoll?
Eine Familienaufstellung ersetzt keine Therapie und ist nicht mit dieser gleichzusetzen. Sie eignet sich jedoch dann ideal, wenn die Ursache der persönlichen Probleme in der (Ursprungs-) Familie vermutet wird. Auch wenn die Probleme, Trennungen oder das Scheitern im Leben immer nach demselben Muster ablaufen ist dies ein sicheres Indiz dafür, dass eine Aufstellung helfen kann.
Systemaufstellungen können als Lösung angedacht werden bei – unerfülltem Kinderwunsch, obwohl medizinisch bereits alles abgeklärt und versucht wurde – Beziehungsproblemen die erst seit der Geburt des Kindes bestehen – Kindern mit starken Verhaltensauffälligkeiten oder Jugendlichen mit Süchten – starken Schuldgefühlen oder Gefühlen der Verpflichtung, die nicht erklärbar sind – starken Konflikten oder der Vermeidung von Kontakt mit Familienmitgliedern – ständiger sich wiederholender Erfolglosigkeit im Beruf
Kuba bringt das Beispiel von Kindern, die regelmäßig starke Krankheitssymptome zeigen, obwohl medizinisch bereits alles abgeklärt wurde. Werden medizinisch keine Ursachen gefunden, kanzeln sich Ärzte oft mit dem Satz „Das wird wohl psychisch sein.“ ab und lassen die Familien im Regen stehen. Hier kann eine Familienaufstellung Unterstützung bieten.
Wie läuft eine Familienaufstellung ab?
Die aufstellende Person führt die Stellvertreter der Familienmitglieder auf einen Platz im Raum, der sich für diese stimmig anfühlt und die Beziehungen der Familie untereinander gut darstellt. Auch für sich selbst wird ein Stellvertreter aufgestellt.
Spannend ist immer wieder neu der Effekt, dass die Stellvertreter der Familienmitglieder Wahrnehmungen empfinden, die der Realität entsprechen. Obwohl sie vorher außer der Position des Familienmitgliedes (Mutter, Vater, etc.) keine Informationen über die Familie erhielten. Dies wird auch das „Wissende Feld“ genannt.
Die Stellvertreter erzählen wie sie sich in dieser Position körperlich und psychisch fühlen. Das innere Erleben, die innere Wahrheit und Realität jedes Familienmitgliedes darf so sein und wird äußerlich sichtbar gemacht. Durch den Blick von außen, ohne selbst involviert zu sein, kann der/die Aufstellende bereits hier Zusammenhänge mit dem eigenen Leben erkennen.
Bert Hellinger, einer der Begründer der Familienaufstellung beobachtete in seiner Arbeit mit Familien „universale Lebensgesetze“, die unabhängig von Hautfarbe, Kultur und Religion existieren. Er beobachtete, dass Menschen unbewusst Schicksale wiederholen und unverarbeitete Trauer oder Schuld bereits verstorbener Familienmitglieder übernehmen.
Aus Liebe und Achtung den Generationen vor uns gegenüber. Ohne dass ihnen der Zusammenhang mit der eigenen Familie bewusst ist.
Mit der Unterstützung des Aufstellungsleiters können Trauer, Schuld oder Verantwortung symbolisch an jene Familienmitglieder zurückgegeben werden, denen sie gehören. Plätze werden gewechselt bis sich alle Familienmitglieder wohl fühlen und „ihren Platz im System“ gefunden haben.
Durch die Integration von ausgeschlossenen Familienmitgliedern oder Themen kann Versöhnung geschehen.
Mit dem Segen der Familienmitglieder, dem Annehmen des Guten und neuer, positiver Glaubens- bzw. Lösungssätze kann so ein neues Leben begonnen werden.
Auf welchem Konzept beruht die Systemische Familienaufstellung?
Das Konzept der Familienaufstellung basiert auf 3 Gesetzmäßigkeiten.
#1 Das Recht auf Zugehörigkeit
Jedes System, sei es jetzt die Familie, der Freundeskreis oder die Arbeitswelt, hat den Wunsch nach Zusammenhalt und Bindung. Die Systemische Familienaufstellung geht davon aus, dass Probleme im Leben dadurch entstehen, wenn ein Thema oder eine Tat in unserer Ursprungsfamilie tabuisiert oder ein Familienmitglied ausgeschlossen wurde.
Dies geschieht meist unbewusst und ohne böse Absicht. Aus Angst, Scham oder anderen Gründen. So kann z.B. ein Nachgeborener eine Suizidneigung verspüren, da ein Täter in der Familie war, der tabuisiert wurde. Er übernimmt unbewusst die Schuld des Täters um die Aufmerksamkeit auf dieses unverarbeitete Thema zu lenken.
„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt“ – Virgia Satir (Begründerin der Familientherapie)
#2 Der Ausgleich von Geben und Nehmen
Der Ausgleich von Geben und Nehmen spielt nicht nur in der Partnerschaft, Freundschaft und Arbeitswelt eine große Rolle, sondern auch in der Beziehung zu unseren Kindern. Gerade in unserer Zeit, wo Kinder zurecht ernst genommen und gehört werden, gerät das Gleichgewicht oft aus dem Ruder. Wenn Achtung und Dankbarkeit in Aggression und Tätlichkeit den Eltern gegenüber umschlagen, geschieht dies meist, wenn Eltern sich nicht mehr klar in ihrer Rolle als Eltern befinden.
#3 Der Vorrang des Früheren
Hier kommt es oft im beruflichen Kontext zu sogenannten Systemverletzungen. Wenn z.B. ein auswärtiger, jüngerer Mitarbeiter einem langjährigen Mitarbeiter vorgezogen wird und den Chefposten erhält. Dies kann zu Schwierigkeiten im Team führen, die mit einer Systemischen Aufstellung gelöst werden können. Im familiären Feld bedeutet dies, dass bei Trennungen auch dem vorherigen Partner ein Stück weit Respekt entgegengebracht werden sollte. So entwickeln Kinder oft Probleme, wenn sie bei Scheidungen in die Auseinandersetzungen der Eltern mit hinein gezogen werden.
Welche verschiedenen Arten von Familienaufstellungen gibt es?
Neben der klassischen Familienaufstellung in der Gruppe gibt es noch zwei andere Methoden.
Im Einzelsetting mit einem Therapeuten werden Zettel statt der Repräsentantinnen auf den Boden aufgelegt und der Therapeut übernimmt es in die unterschiedlichen Rollen zu schlüpfen, indem er sich auf diese Zettel stellt. Er gibt Feedback „was die einzelnen Familienmitglieder“ spüren und Tipps, wie die Rollen heilsam angeordnet werden können.
Bei der „Familienaufstellung am Brett“ werden anstelle von Repräsentantinnen Figuren auf ein Brett gestellt. Diese Methode bietet einen guten Überblick über die Art und Weise wie weit/nah Familienmitglieder voneinander stehen.
Wie lange dauert eine Familienaufstellung und was kostet sie?
Eine Familienaufstellung dauert ca. 1,5 Stunden. Meist wird noch zusätzlich ein extra Termin für ein Vorgespräch ausgemacht. Je nach Art der Aufstellung (Gruppe oder Einzelsetting) kostet eine Aufstellung zwischen € 70,- und € 130,-.
Wo finde ich eine seriöse AufstellungsleiterIn?
Das Österreichische Forum Systemaufstellungen bietet Informationen und eine Liste Österreichweiter anerkannter AufstellungsleiterInnen, die den Qualitätskriterien entsprechen. Auch die österreichische Wirtschaftskammer ist dabei einen Expertenpool aufzubauen.
Neben dem eigenen Gefühl sollte auch auf die Ausbildung der AufstellungsleiterIn geachtet werden (Lebens- und SozialberaterIn, PsychologIn oder PsychotherapeutIn). Empfehlen kann ich auch Frau Karin Graf, welche gerade einen „Fortbildungslehrgang für Lebens- und SozialberaterInnen für Aufstellungsarbeit“ entwickelt und auch selbst noch Aufstellungen leitet.
Wer erfand die Familienaufstellung?
In seiner Arbeit mit Familien beobachtete der Priester und Psychoanalytiker Bert Hellinger (19252019) bestimmte Gesetzmäßigkeiten in Familiensystemen und entwickelte daraus sein bekanntes Werk „Ordnungen der Liebe“, sowie die Methode der Familienaufstellung. Inspiriert wurde er von der Begründerin der Systemischen Familientherapie Virginia Satir (1916-1988) und deren Familienrekonstruktionen. Erst später wurde die Methode „Systemische Familienaufstellung“ durch Lösungssätze und Rituale ergänzt.
Kontakt:
Petra Kuba Coaching, Supervision, Psychologische Beratung
1020 Wien
Mail: office@petrakuba.at