"Bodyshaming" in der Schule - und wie man dagegenhalten kann
Unsere Tochter (11) wurde von ein paar Jungs „blöd angeredet“. Sie sei „zu dick“. Seither trägt sie ungern kurze Hosen und scheint sich ein wenig wegen ihres Körpers zu schämen.
Dass sie nicht dick ist, tut eigentlich nichts zur Sache. Vielmehr fragen wir uns, was einen Jungen dazu verleitet, so etwas zu behaupten und sie damit tief zu kränken. Ist es vielleicht „nur“ das übliche Necken zwischen den Geschlechtern, schon im jungen Alter?
Oder ist es eine gezielte Provokation, die der Junge gesetzt hat, weil er eben weiß, dass er unsere durchaus selbst- und modebewusste Tochter damit verletzen, irritieren und vor den Kopf stoßen kann?
Natürlich haben wir keine erschöpfenden Antworten und selbstverständlich kennen wir die wahren Beweggründe nicht.
Die Schule und der Klassenzimmer sind ein Umfeld, zu dem Eltern im Kern kaum Zutritt haben und schon gar nicht verstehen können, was vor Ort wirklich abgeht und was tatsächlich passiert ist.
Fakt ist jedenfalls, dass wir unsere Tochter unterstützen wollen und diese Kränkung und Irritation ihres Selbstbilds von außen keinesfalls so stehen lassen können oder wollen. Dass wir nicht besagten Jungen zur Rede stellen, versteht sich von selbst. Auch bei den Eltern wollen wir nicht „petzen“. Auch wenn letztere Aktion wohl dazu führen würde, dass er sein eigenes Tun hinterfragt und sich dessen gewahr wird, dass er einen Menschen verletzt und gekränkt hat.
Wir setzen anders an – und durchaus auch christlich. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass Gott den Menschen ganzheitlich gemeint und erschaffen hat – also als Einheit von Körper und Geist. Der Spruch, dass Schönheit von innen kommt, ist da, obwohl natürlich ein wenig zu oft gesagt, ganz auf dieser Linie.
Wir sagen unsere Tochter damit also Folgendes: Sie sollte sich auf keinen Fall kränken lassen.
Denn auch wenn sie etwas zu dick wäre – was in ihrem Fall natürlich nicht stimmt – dann hätte sie immer noch ihren schönen „Geist“. Das mag einem elfjährigen, heranwaschenden Mädchen womöglich als Argument komisch vorkommen, aber es gebietet der Vorherrschaft der Äußerlichkeiten und Körperlichen wohl doch Einhalt.
Dennoch wollen wir sie natürlich „selbstermächtigen“, also dazu ermutigen, das zu tragen, was sie tragen möchte. Sie sollten sich wohlfühlen dürfen, sie sollten sich und ihren Körper gerne auch „spüren“ und genießen.
Sie soll aber, ganz nach dem hier bereits geäußerten Ansatz begreifen, dass es um mehr geht als „nur“ um Aussehen.
Es geht darum seine Balance zu finden, mit sich im Einklang zu sein und ganz „bei sich“ zu sein.
Nun kann man nicht erwarten, dass das bei einem 11-jährigen Mädchen der Fall ist. Es ist eine Phase des Größer-Werdens, eine herausfordernde Zeit, in der sich sowohl Körper als auch Psyche grundlegend verändern bzw. die womöglich größte Veränderung überhaupt – die Pubertät – vorbereitet wird.
Da ist es wichtig ihr auch etwas mit an die Hand zu geben: Es sind Zeiten, in denen auch bei Jungs dieser „Umbau“ ansteht. Gut möglich also, dass der Junge seine eigene Unsicherheiten und Probleme auf unsere Tochter projiziert hat. Indem er sie ganz „verurteilt“ hat, hat er eine Klarheit generiert, die ihm fehlt. Indem er sich als „Beurteiler“ aufgespielt hat, hat er sich in eine Machtposition gehievt, die er ansonsten nicht hat. Indem er sich in dieser vermeintlich sicheren Rolle kurzfristig etabliert hat, hat er auch seine eigenen Unsicherheiten hintan gestellt.
Das aber bedeutet wiederum nicht, dass sich unsere Tochter fortan alles gefallen lassen soll oder für alles Verständnis haben sollte.
Ganz im Gegenteil: Sie soll selbstbewusst auftreten, sich wehren, sich entgegensetzen und ihm „Paroli“ bieten. Aber sie sollte die Sachen auch nicht zu nahe an sich heranlassen, weil – siehe oben.
Ob es uns gelingt, sie so zu trösten und wieder dazu zu bringen, Sachen anzuziehen, die sie ansonsten bei hohen Temperaturen angezogen hat? Wir werden sehen. Aber der Weg stimmt.