Im Spiel die Welt erforschen: Theater- und Rollenspiele mit Kindern

Die Kuscheltiere werden zum Publikum, das Kinderzimmer zur Bühne, das Tipi-Zelt zum Vorhang für den gelungenen Auftritt, die Schreibtischlampe zur Bühnenbeleuchtung und ausrangierte Kleidung, Hüte, Tücher und Taschen zu Kostümen. Kinder haben eine wundervolle Fantasie. Im Spiel ist alles möglich. Und das ist wunderschön.

Denn in dieser Kreativität und Flexibilität steckt so viel Potenzial und so viel Power für das „echte“ Leben: flexibles Denken, Improvisationsgabe, eine schnelle Auffassungsgabe, Empathie und soziale Kompetenzen.

Das, was ich im Spiel sein kann, kann ich auch in der Welt da draußen sein.

Das, was ich im Spiel sein kann, kann ich auch in der Welt da draußen sein. Da wird der schüchterne Junge plötzlich zum mutigen Superheld, die Prinzessin möchte sich nicht retten lassen – sie will lieber Ärztin werden, der sonst so Angepasste wird zum übermütigen Wildfang, der alleine in seiner Waldhöhle haust. Im Spiel darf alles sein und nach Herzenslust ausprobiert werden.

Neue Rollen und Handlungsmuster

Spielerisch erobern sich die Kids neue Rollen und Handlungsmuster. Sie erfahren sich und andere. Sie lernen, sich in andere Personen, Figuren und Gefühle hineinzuversetzen. In vielen Pädagogik-, Beratungs- und Therapierichtungen gibt es für das, was die Kids hier ganz intuitiv ausprobieren und anwenden, eine eigene Methode: „So-tun-als-ob“. Das, was du spielerisch zeigen kannst, kannst du auch in der Welt „da draußen“ zeigen. Wenn du im Spiel mutig sein kannst, kannst du es (mit ein bisschen Übung) auch im Alltag. 

Verarbeitung von Gefühlen

Auch Eindrücke und Erfahrungen verarbeiten und reflektieren Kinder im gemeinsamen Spiel mit anderen Kindern oder mit uns. Da bekommt der Teddy das „Neeeein!“ der Kindergartenpädagogin oder des Kindergartenpädagogen zu hören, der Prinz verletzt sich plötzlich am Fuß und muss erstmal vom König getröstet werden, ehe sie weiter gegen den Drachen kämpfen können, oder ebenjener Drache wird plötzlich ganz traurig, weil er keine Freunde hat und eigentlich nur jemandem zum Spielen sucht.Wenn euch am Handlungsstrang oder an der Rollengestaltung eurer Kids etwas verwundert oder verunsichert, könnt ihr auch gerne mit eurem Kind darüber sprechen – aus Offenheit und ehrlicher Neugierde heraus fragen: „Du sag mal, du hast heute mit dem Drachen so geschimpft. Schimpft der/die… auch so mit dir/ woher kennst du das denn?“. So liefert das gemeinsame Spiel auch viele schöne Gesprächsimpulse für euch. 

Kind spielt Fingerpuppen

Einfach mitmachen!         

Das Schöne am Theaterspielen ist: ihr braucht keinerlei Utensilien. Lasst euch einfach von der Fantasie eurer Kinder tragen. Dazu braucht ihr vielleicht doch etwas: ein wenig Offenheit und vielleicht selbst ein bisschen Fantasie und Leichtigkeit. Lasst euch ein auf die Geschichten und Ideen eurer Kids, lasst euch inspirieren!

Theaterspielen könnt ihr drinnen oder im Sommer auch draußen: Lichterketten machen eine besonders schöne Bühnenatmosphäre. Klänge können von eurer Musikbox kommen oder von den Kindern selbst hergestellt werden (auch eine spannende Frage: Wie kann ich das Geräusch von „Gewitter“ erzeugen?)

Aber all das ist kein Muss – das ist ja das Schöne und Freie am Theaterspielen. Alles entsteht in unserer Fantasie, wir tun, als ob. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Fantasiespiele bereits früh möglich

Mit Kindern ab 2 Jahren könnt ihr bereits kleine Rollen- und Theaterspiele machen: Kuscheltiere retten, mit dem Zug eine Reise machen – Kofferpacken nicht vergessen, Abenteuer erleben, den Kletterturm zurückerobern, den zuvor der Teddybär eingenommen hat… Kinder haben anfangs noch keine lange Aufmerksamkeitsspanne, daher werden die Spiele anfangs eher kurz sein, das ist absolut in Ordnung. Auch hier dürfen wir lernen, vom Leistungsgedanken wegzugehen und einfach unser Kind und seine Fantasie zu genießen.

Ab ca. 5 Jahren wird es dann schon konkreter und die Spielphasen werden auch länger. Im Volksschulalter denken sich dann ganz viele Kinder gerne Geschichten aus und schlüpfen in verschiedene Rollen. Ihr könnt sie frei spielen und sie ihre Theaterstücke erfinden lassen, sie gegebenenfalls mit Requisiten, Kostümen, Musik und Beleuchtung unterstützen. 

Spielideen

Oder ihr spielt gemeinsam mit ihnen Theaterspiele, z.B. „Fotos stellen“: Euer Kind richtet euch und vielleicht eine zweite Person zu einem „Foto“ ein. Eine weitere Person oder ihr selbst erratet, wo ihr gerade seid und was ihr gerade macht. Diese Fotos dürfen dann auch ins Spiel übergehen. Mit „Film ab!“ dürfen sich die Figuren bewegen und eine kurze Szene anspielen. Eben das, was ihnen spontan aus ihrer Position heraus einfällt.

Festgelegte Rollen und Texte (so wie wir „klassisches“ Theater kennen) brauchen Kinder nicht, es schränkt sie eher in ihrer Fantasie ein. 

Solche Spiele eignen sich auch hervorragend für Kindergeburtstage und können natürlich beliebig ausgebaut werden, z.B. können die Figuren im Foto auch von einem Spieler/ einer Spielerin „interviewt“ werden, die mithilfe des Publikums aus einem einzigen Bild eine ganze Geschichte formt. Festgelegte Rollen und Texte (so wie wir „klassisches“ Theater kennen) brauchen Kinder nicht, es schränkt sie eher in ihrer Fantasie ein. 

Manchmal brauchen sie aber einen Rahmen, also Spielregeln, innerhalb derer sie frei agieren können. Wenn wir sagen „Spiel irgendeine Figur!“ ist die Auswahl oft so groß, dass sie überfordert sind. Helfen könnten wir, in denen wir ihnen, wenn sie das möchten, Rollen/Figuren oder Orte vorgeben oder aus Kartenstapel ziehen lassen. Dann haben sie hier schon einen Anhaltspunkt und können darauf los spielen. Mit strahlenden Augen und Freude an der spielerischen und fantasievollen Erforschung der Welt. 

Kinder spielen draußen

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Ein Artikel von

Portraitfoto Barbara Grütze

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