Mein Wunschkindergarten

Am 24. Oktober 2023 findet die Betriebsversammlung der Elementarpädagogik statt. Seit Jahren plädieren wir Mitarbeiter:innen für besser Rahmenbedingungen und höhere Gehälter, geändert hat sich bis jetzt nur wenig.

Trotz Herausforderungen in meinem Job gehe ich gerne zur Arbeit und finde Erfüllung darin. Die gemeinsame Zeit mit den Kindern, die Interaktion und der Beziehungsaufbau sowie die pädagogische Begleitung in den ersten Lebensjahren sehe ich als wertvolle Aufgabe in meinem Leben an. Parallel verspüre ich jedoch auch Frustration.

Ich bin frustriert, dass ich nicht allen Kindern die Aufmerksamkeit und Förderung schenken kann, die sie benötigen.

Ich bin frustriert, dass Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen immer mehr schriftliche Arbeiten aufgehalst bekommen, jedoch die Vorbereitungszeit dafür nicht ausreichend ist. Ich bin frustriert, dass der Kindergarten nicht als erste Bildungseinrichtung angesehen wird, sondern primär für die Betreuung. In meinem Umfeld hat die Frustration in Kombination mit Überarbeitung nicht selten zu Kündigungen oder Umschulungen geführt. Gerne hätten sie den Job weiterausgeführt, jedoch nicht unter den momentanen Bedingungen. Noch ist meine Motivation größer als die Frustration. Damit das so bleibt, erhebe auch ich meine Hand am 24. Oktober. Für unsere Kinder und ihre Zukunft, für alle Mitarbeiter:innen in der Elementarpädagogik, für alle Familien!

Als Elementarpädagogin im Kindergarten spüre ich hautnah woran es mangelt und was es brauchen würde, um den Kindergarten zu einem Ort der Lernerfahrungen sowie Förderung der Individualität und Integrität zu machen. Kinder haben Rechte! Als Erwachsene ist es unsere Pflicht für die Rechte der Kinder zu kämpfen!

UNICEF: "Das Recht auf Leben und Entwicklung: Jedes Land verpflichtet sich, in größtmöglichem Umfang die Entwicklung der Kinder zu sichern"

Mein Wunschkindergarten

Der Betreuungsschlüssel

Für eine individuelle Betreuung benötigt es einen besseren Betreuungsschlüssel. Eine Kindergartengruppe (Drei- bis Fünfjährige) mit 25 Kindern und Kleinkindgruppe (Eins- bis Dreijährige) mit 15 Kindern werden jeweils von einer/m Elementarpädagogin/-pädagoge und einem/r Assistent:in betreut. Die Assistentin/der Assistent steht der Gruppe nicht ständig zur Verfügung, da sie/er sich auch um andere Tätigkeiten kümmern muss: Reinigungsarbeiten, Bestellungen, Frühstück und Nachmittagsjause zubereiten, Mittagessen vorbereiten – um einige zu nennen. Somit stehen Pädagoginnen und Pädagogen täglich vor der Herausforderung alleine für eine ganze Gruppe verantwortlich zu sein. Diese Verantwortung zu tragen lastet schwer auf den Schultern. Nicht nur die Betreuungspflicht, sondern auch dem Bildungsauftrag nachzukommen fordert enorm. Jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen. Bei 15 bzw. 25 unterschiedlichen Bedürfnissen stellt sich die Frage: Welchem Kind widme ich mich zuerst? Wenn zeitgleich noch Eingewöhnungen stattfinden, welche die ungeteilte Aufmerksamkeit einfordern: Wer kümmert sich um die restliche Gruppe?

Mein Wunschkindergarten hat einen besseren Betreuungsschlüssel: Alle Kinder bekommen die Zuwendung und Aufmerksamkeit die sie für eine optimale Entwicklung benötigen (kleinere Gruppe und/oder mehr pädagogisches Personal in den Gruppen). Das Betreuungspersonal fühlt sich nicht überfordert und ausgebrannt, sie teilt sich die Verantwortung mit Kolleginnen und Kollegen.

Vorbereitungszeit

Je nach Kindergartenträger ist die Vorbereitungszeit unterschiedlich aufgeteilt. Hier benötigt es eine einheitliche Regelung für Fairness. In meinem Fall: Ich arbeite 40 Stunden Vollzeit, davon sind 35 Kinderdienststunden und 5 Stunden Vorbereitungszeit. Klingt im erst Moment nach ausreichender Vorbereitungszeit, defacto benötige ich aber viel mehr und habe in der Vergangenheit einige unbezahlte Überstunden in meiner Freizeit absolviert.

Schriftliche Tätigkeiten, welche nicht in der Kinderdienstzeit getätigt werde sollen: Bildungsangebote planen und vorbereiten (z.B. Ideen sammeln, Lieder erlernen oder didaktische Spiele herstellen), Wochenrückblick für die Eltern transparent gestalten, Informationen per Eltern-App aussenden oder Aushänge gestalten, 15 bzw. 25 Portfolio-Mappen der Kindern monatlich gestalten (Fotos auswählen, ausdrucken, ausschneiden, einkleben, Kompetenzen hinzufügen; bei älteren Kindern: gemeinsam gestalten), Feste und Elternabende planen (Ideen sammeln, mit Team absprechen, Bestellungen tätigen, Dekorationen, Organisatorisches klären), Entwicklungsbögen aller Kinder regelmäßig aktualisieren, Entwicklungsgespräche vorbereiten (Termine ausschreiben, Gesprächsprotokoll vorbereiten, Kind-Beobachtungen verschriftlichen, Austausch mit Kolleginnen und Kollegen), Entwicklungsgespräche führen (mind. ½ Stunde pro Kind; 1x pro Jahr), Kind-Beobachtung täglich festhalten, bei Bedarf Austausch mit externen Fachkräften (Erziehungsberatung, …), Planungsmappe und Situationsanalyse jährlich schreiben/adaptieren, (neue) Konzepte durchlesen, monatliche Reflexion, E-Mails lesen, Auseinandersetzung mit neuen Medien (Tablet, Apps), Organisatorisches (z.B. Namenslisten erstellen), Materialbestellungen (Kataloge durchblättern) oder Material besorgen, Fortbildungen besuchen oder sich eigenständig weiterbilden um am Ball zu bleiben. Je nach Woche und Situation kommen noch Aufgaben hinzu.

Mein Wunschkindergarten hat entweder mehr Vorbereitungszeit, um die oben genannten Aufgaben bewältigen zu können und/oder zusätzliches Personal.

Wertschätzung

Ich habe bereits letztes Jahr einen detaillierten Beitrag zur Wertschätzung im Kindergarten geschrieben. Tatsächlich darf ich mich als Pädagogin sehr glücklich schätzen, da die Eltern „meiner“ Kinder sehr wertschätzend und verständnisvoll sind.

Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, dass sich einige Leute unter dem Beruf Kindergartenpädagogin/-pädagoge ein falsches Bild machen.

Im Kindergarten wird nicht nur gespielt und gebastelt. Es passiert viel mehr. Unter anderem beim Spielen und Basteln (Kreativität und Phantasie, Sozial-/Sach-/Selbstkompetenz), aber eben nicht nur. Besonders in der Kleinkindgruppe passieren enorme Entwicklungsschritte und Lernerfahrungen: Eingewöhnung (Ablösung, Beziehungsaufbau, neue Bezugspersonen), Interaktion mit anderen Kindern (Sozialkompetenz), Autonomiephase (eigener Wille, Selbstständigkeit), Umgang mit Emotionen und Frustrationstoleranz, Sprachentwicklung (erste Wörter), Sauberkeitserziehung und vieles mehr. All das passiert nicht von alleine. All das benötigt liebevolle empathische Begleitung, Ermutigung und eine vorbereitete Lernumgebung.

Mein Wunschkindergarten wird als erste Bildungseinrichtung angesehen. In meinem Wunschkindergarten arbeitet das Personal mit Engagement und ohne Frustration, weil es von dem wertschätzenden Feedback der Eltern und der Gesellschaft bestärkt wird.

"Wir gehören zusammen - zusammen sind wir stark!"

Diese Zeile eines Begrüßungslied inspiriert mich zu sagen: Zusammen können wir den Wunschkindergarten Realität werden lassen. Oder wie es in einem anderen Lied heißt: „Wenn einer einen Traum träumt, bleibt es nur ein Traum. Träumen wir ihn gemeinsam wird er Wirklichkeit.“ Kommt, lasst uns vom Wunschkindergarten träumen und ihn Wirklichkeit werden lassen!

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