Mit Kindern (und Jugendlichen) über „schreckliche Bilder“ sprechen
Es ist Krieg. An vielen Orten der Welt. Damit gehen meist Gräueltaten einher. Soziale Netzwerke sind auf bildlicher Ebene Verstärker dieser Taten. Eltern müssen da handeln.
Es lässt sich vermutlich gar nicht vermeiden. Jedes Kind und jeder Jugendliche, der ein Smartphone zur Hand hat, wird über grauenvolle Fotos, Videos und Bilder regelrecht stolpern. Die Diskussion, ab wann ein Kind oder ein Jugendlicher hier aktiv sein sollte, soll hier nicht geführt werden. Schließlich ist es ja denkbar, dass sie ein Freund oder eine Freundin auf einem anderen Smartphone darauf hinweist.
Die Fragestellung hier ist eine andere: Welche Rolle spielen Eltern? Was können sie tun?
Bemerken sie überhaupt, dass das Kind etwas gesehen hat, mit dem es vermutlich gar nicht umgehen kann und das es zumindest nicht richtig einordnen kann?
Ich glaube, wir Eltern haben eine „Bringschuld“. Wir haben eine Verantwortung. Wir müssen diese Themen, jetzt gerade der Israel-Krieg, selbst auf den Küchentisch – oder wohin auch immer – bringen.
Dafür müssen wir wahrlich nicht ins Detail gehen. Auch Worte können nämlich verstören!
Ich denke, es genügt, Kinder und Jugendliche zu warnen und darauf hinzuweisen, dass im Moment die Intensität und die Dichte von verstörenden Bildern, Fotos und Videos besonders hoch ist. Das heißt aber keinesfalls, dass man sie von der Realität fernhalten sollte!
Es geht vielmehr darum, ihnen dabei zu helfen, die Realität einzuordnen.
Schließlich haben Bilder auch immer einen Zweck und vor allem einen Kontext. Die Frage, wer die Bilder „in die Welt gesetzt“ hat, ist also wertvoll.
Damit geht die Frage einher, ob sie wirklich Abbilder der Realität sind oder eben nur Fragmente, Ausschnitte, Hinweise, Andeutungen, Teile des großen Ganzen.
Bekommt man damit wirklich das Ganze in den Blick, versteht man was passiert und in welchen Zusammenhang Taten, Gesten, Handlungen und Gräueltaten stehen?
Die Frage wird wichtig sein, was man dabei empfindet. Ist es Abscheu, Ekel, Hass oder lässt sich das Empfinden rationaler fassen? Und: Was machen diese Gefühl bei mir? Tragen sie dazu bei, dass ich darüber differenziert sprechen kann?
Wir leben jedenfalls in komplizierten Zeiten. In unübersichtlichen Zeiten.
Womöglich war es aber schon immer kompliziert, doch in heutigen Zeiten der Nachrichtenflut ist diese Komplexität noch mehr spürbar und auch sichtbar.
Wie soll ein Kind oder ein Jugendlicher damit umgehen können, wenn selbst Erwachsene überfordert sind?
Das immer wieder Reden ist eigentlich der einzige Ansatz, der irgendwie gewinnbringend sein könnte. Das immer wieder Momente und Räume schaffen, in denen diskutiert wird, in denen eingeordnet wird, in denen auch die eigene Überforderung angesichts der Weltlage deutlich aufs Tapet kommt.
Es bringt schließlich nichts, wenn sich der Erwachsene nur als stark darstellt, als wissend, als jemand, der alles analysieren und einordnen kann und dem es damit möglicherweise auch gelingt, die Zukunft zu antizipieren.
Die Wahrheit ist: Auch Eltern können das nicht. Auch Eltern sind nicht allwissend. Es ist für Kinder und Jugendliche kein Problem, wenn sie das bemerken.
Aber gerade Kinder und Jugendliche müssen sich gesehen und wahrgenommen fühlen. In ihren Ängsten und Gefühlen ernst genommen. Im Familienverband aufgehoben in dem Wissen, dass alles gesagt werden kann. Alles diskutiert. Dass man nicht allein ist, wenn einem angesichts so mancher Bilder oder Informationen einmal alles zu viel wird. Die Familie ist ein Ort der Diskussion, der Gemeinschaft, der Klarheit, kein Ort des Alarmismus, der Zuspitzung und der Vereinfachung.
Vielleicht ist das auch ihr allergrößter Wert: Das Wissen, dass es hier keine Tabus gibt, keine Hürden, keine Grenzen. Das allein ist schon tröstend. Tröstend in Zeiten, in denen der Trost manchmal fern zu sein scheint. Ein Ort der Konstante, in nicht-konstanten Zeiten, in denen stets neue Dinge passieren können, auf die man auf gar keinen Fall vorbereitet war.