Sicher am Schulweg – Worauf Kinder im Straßenverkehr achten

Um das Verhalten von Kindern im Straßenverkehr besser einschätzen zu können, führt der ÖAMTC in Zusammenarbeit mit dem Wiener Unternehmen „Viewpointsystem“ regelmäßig Untersuchungen mit Kindern im Schulalter durch.

Während die Kinder unterschiedlich geregelte Kreuzungen überqueren, tragen sie spezielle Eye-Tracking-Brillen, die das menschliche Blickverhalten aufnehmen. Die Aufzeichnungen geben wichtige Antworten auf die Frage, was Kinder in welchem Alter wahrnehmen und erkennen können.

 

Was was das Ergebnis?

  • So konnte festgestellt werden, dass 5-6jährige keinen Blickkontakt zu den Lenkern suchen. Auch der kontrollierende Pendelblick nach beiden Seiten wird in diesem Alter noch nicht angewandt.
  • Erst im Alter von 7-8 Jahren sind Kinder in der Lage zu lernen, Gefahren vorauszusehen. Es fehlt ihnen jedoch noch die Erfahrung, um beurteilen zu können, wie der Lenker reagieren wird.
  • Kinder zwischen 8-9 Jahren beherrschen den Pendelblick bereits besser, jedoch noch nicht sicher. "Der bewusste Blick nach links und rechts ermöglicht überblicksmäßig mehrere mögliche Gefahrenquellen zu erfassen und muss erst gelernt werden", meint die ÖAMTC-Psychologin Marion Seidenberger.
  • Bei ampelgeregelten Kreuzungen starren jedoch auch ältere Kinder nur aufs grüne Licht und machen keine Kontrollblicke", fasst ÖMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger zusammen.
  • Auch haben viele Kinder bis zum zehnten Lebensjahr Probleme damit rechts und links zu unterscheiden. Daher sollte ihnen beigebracht werden, immer in beide Richtungen zu schauen, auch bei Einbahnen.
  • Erst im Alter ab 9 Jahren sind Kinder fähig, vorbeugende Verhaltensweisen zu setzen, wie z. B. einen Umweg zu gehen, wenn dieser sicherer erscheint.

 

Überforderung

Unabhängig vom Alter wurde beobachtet, dass Kinder im Volksschulalter überfordert sind, wenn sie mehrere Dinge gleichzeitig beachten müssen, wie z. B. auf die Verkehrsampel zu sehen und auf den Einbiege-Verkehr zu achten. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf ein Objekt, wie z. B. die Ampel und hasten schnell über den Zebrastreifen, um die Überquerung der Straße schnell hinter sich zu bringen.

 

Wenn zwei Kinder gemeinsam eine Fahrbahn überqueren, übernimmt meist eines oder das ältere der Kinder die Führung und das andere Kind achtet nicht mehr auf den Verkehr. Daher kann nicht oft genug betont werden, dass die Kinder auch selbst auf die Straße schauen sollen.

 

Überqueren Kinder die Straße mit einem Roller, sind sie so damit beschäftigt, diesen zu lenken, dass sie nicht mehr auf die Straße achten können, da sie dies überfordert. "Kinder sollten ihren Roller daher generell beim Überqueren der Fahrbahn schieben", rät die ÖAMTC-Psychologin Seidenberger.

 

Auch können Kinder noch nicht abschätzen, wie schnell ein Auto fährt und ob es vor dem Zebrastreifen noch stehen bleiben kann. Genauso wie Gefahren, die sich von der Seite nähern, aus den Augenwinkeln nicht erkannt werden.

 

Eyetracking-Brillen

Bei der aktuellen Blickuntersuchung im Frühjahr 2024 wurden Kinder (6-7 Jahre und 11-12 Jahre) sowie Klein-Lkw-, Pkw- und Rad-Fahrende mit den Eyetracking-Brillen ausgestattet.

#1. Irrelevante Blickführung

"Jüngere Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren schweifen mit ihren Augen weit ab oder schauen mit einer Art Scheibenwischerblicks sehr schnell hin und her.“, so die aktuellen Erkenntnisse. Insgesamt nehmen sie Unwichtiges und zu viel wahr – dieser Informations-Overload verstärkt die Unsicherheit.", erklärt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.

#2. Zu großer Abstand zur Gehsteigkante

Beobachtet werden konnte auch, dass sich kleinere Kinder zu weit weg von der Gehsteigkante aufstellen. Dadurch können sie nicht in den Kreuzungsbereich schauen und werden auch von anderen oft erst sehr spät wahrgenommen.

#3. Kein ausreichender Überblick

Dazu kommt, dass Kinder durch ihre Körpergröße noch keinen ausreichenden Überblick haben. Um ihre Sicht besser nachvollziehen zu können, empfiehlt es sich, in die Hocke zu gehen, rät Verkehrspsychologin Seidenberger.

#4. Schlechte Sicht durch Hindernisse

Hindernisse wie Mistkübel, Verkehrszeichen oder Büsche im Kreuzungsbereich verschärfen das Problem. Sie führen dazu, dass sogar höher Sitzende (z. B. Rad- und Lkw-Fahrende) nicht sehen, ob sich im Aufstellungsbereich von Kreuzungen Personen befinden.

 

Als wichtige Komponente erwies sich dabei die unterschiedliche Augenhöhe von durchschnittlich 115 cm (6-7-Jährige), 117 cm (Pkw-Lenker:in), 141 cm (11-12-Jährige), 171 cm (Radfahrer:in) bis zu 181 cm (Klein-Lkw-Fahrer:in).

 

Gefahrenstelle Garagenausfahrt und Zebrastreifen über Radweg

Zu gefährlichen Situationen kann es auch bei Garagenausfahrten über den Gehsteig kommen. "Die Blickuntersuchung hat gezeigt, dass kleinere Kinder ab und zu und die größeren gar nicht geschaut haben", erklärt die Psychologin des Mobilitätsklubs.

Auch Zebrastreifen, die über Radwege führen, sorgen für Unsicherheiten.

"Kinder sind an solchen Stellen oft überfordert.", so Seidenberger. Radfahrende hingegen haben bei der Blick-Untersuchung kaum auf die Aufstellfläche vor Kreuzungen geschaut. Dabei ist die Situation rechtlich eindeutig: Wer am Zebrastreifen geht, hat Vorrang – das gilt auch bei Radwegen.
 

Kinder schätzen ihr Können falsch ein

"Wir haben die Kinder nach dem Test gefragt, wie sie sich einschätzen. Die meisten waren überzeugt, dass sie den Weg sehr gut absolviert haben", erläutert die ÖAMTC-Expertin.

Umso wichtiger ist es, uns bewusst zu sein, was unsere Kinder in welchem Alter können und diese optimal auf den Straßenverkehr vorzubereiten.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Regina Madgalena Smrcka

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