Von Trauerseen und Trauerpfützen - Wie begleitet man Kinder in ihrer Trauer?
Der Tod eines geliebten Menschen ist für alle ein großer Einschnitt - auch für Kinder.
Wie erleben Kinder Trauer? Gibt es einen Unterschied zur Trauer von Erwachsenen?
meinefamilie.at hat darüber mit Mag.a Silke Höflechner-Fandler, der pädagogischen Leiterin von RAINBOWS-Österreich gem. GmbH, gesprochen.
RAINBOWS ist seit 1991 in Österreich aktiv und unterstützen Kinder und Jugendliche in stürmischen Zeiten - bei Trennung, Scheidung oder Tod einer Bezugsperson.
meinefamilie.at: Frau Mag.a Höflechner-Fandler, wie kann man sich die Arbeit von RAINBOWS vorstellen?
Höflechner-Fandler: Wir von RAINBOWS wollen Kindern und Jugendlichen einen Rahmen bieten, in dem sie über ihre Erfahrungen und Gefühle sprechen können. Das geschieht vor allem in Kleingruppen. So merken sie: wir sind mit unseren Sorgen nicht alleine. Anderen Kindern geht es ähnlich. Durch die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen erfahren auch die Eltern Entlastung in einer Zeit, die für sie sehr belastend ist.
meinefamilie.at: Ist Trauer überhaupt ein Thema bei Kindern?
Höflechner-Fandler: Trauer ist ein Thema für alle Menschen, egal ob groß oder klein. Das fängt schon mit kleinen Verlusten an, wenn z.B. das Lieblingsstofftier verloren oder kaputt geht.
Kinder erleben aber auch Trauer, wenn sie vom Kindergarten in die Schule wechseln und gute Freunde nicht mitgehen.
Gar nicht so selten, werden sie schon früh mit dem Tod konfrontiert. Das geliebte Haustier stirbt, aber auch nahe Familienmitglieder, wie z.B. Oma oder Opa oder ein ganz enges Familienmitglied, wie Geschwister oder ein Elternteil können sterben.
Viele Eltern wollen ihr Kind aber vor allem Traurigem schützen, damit tun sie ihm aber nichts Gutes, auch wenn es natürlich gut gemeint ist.
Die Trauer ist ein Gefühl, das genauso zum Leben gehört, wie Freude, Wut oder Angst.
Und Kinder werden dann am besten aufs Leben vorbereitet, wenn sie von Anfang an den Umgang mit allen Gefühlen lernen.
meinefamilie.at: Was tun Kinder, wenn sie merken, dass jemand in ihrem Umfeld unheilbar krank ist?
Höflechner-Fandler: Kinder spüren sehr schnell, wenn etwas anders ist als sonst. Wenn man nicht offen mit ihnen darüber spricht, stellen sie schnell Vermutungen an und beziehen vieles auf sich selbst. Daher ist es so wichtig, in der Familie offen, aber natürlich kindgerecht, über eine Erkrankung zu sprechen. Das Kind braucht Informationen und die Sicherheit, dass es alles fragen darf, was es beschäftigt. So kann es sich als Teil der Familie erleben, die eine schwere Zeit erlebt und wird nicht ausgegrenzt, weil es „noch zu klein“ ist.
Kinder lernen den Umgang mit ihren Gefühlen auch durch die Erwachsenen, die für sie Modell sind.
Man darf also als Mutter oder Vater seine Tränen ruhig vor dem Kind zeigen und den Kindern das Trauern ruhig zutrauen. Wenn jemand in der Familie krank ist, darf das Kind kleine Dinge übernehmen. Einen kühlen Waschlappen bringen, etwas vorlesen, etwas für den Erkrankten basteln. Das nimmt ihm ein bisschen von dem Ohnmachtsgefühl, weil es etwas tun kann.
meinefamilie.at: Wie ist die erste Reaktion auf die Nachricht von einem Todesfall und wie verarbeiten Kinder ihre Trauer weiter?
Höflechner-Fandler: Die erste Reaktion unterscheidet sich oft nicht sehr von uns Erwachsenen. Das geht von „einfach nicht glauben können, was passiert ist“ bis hin zu starkem Weinen. Wir unterstützen Kinder in der Verarbeitung der Trauer, wenn wir offen mit ihnen reden, sie ernst nehmen und sie einbinden in Abschiedsrituale.
Sie müssen wissen, dass sie immer fragen dürfen!
Es tut ihnen auch hier gut, wenn sie etwas tun können. Ein Bild malen, das in den Sarg gelegt wird, eine Kerze basteln, Blumen aussuchen….
meinefamilie.at: Was unterscheidet sie dabei von Erwachsenen?
Höflechner-Fandler: Kinder unterscheiden sich in ihrer Trauer insofern von Erwachsenen, dass sie mehr in Etappen trauern. So kann es sein, dass sie gerade tieftraurig sind und im nächsten Moment wieder lustig mit ihren Freunden herumlachen und spielen. Das irritiert Erwachsene manchmal, ist aber ganz normal und gesund, da sich die Kinder damit auch schützen. In diesem Zusammenhang spricht man auch davon, dass Kinder in Trauerpfützen hinein- und hinausspringen, während Erwachsene oft im Trauersee baden.
meinefamilie.at: Wie können wir Erwachsene die Kinder und Jugendlichen in ihrer Trauer, Wut etc. bestmöglich begleiten?
Höflechner-Fandler: Alle Gefühle müssen ernst genommen werden.
Es gibt keine guten oder schlechten Gefühle, auch wenn manche unangenehm sind.
Alle sind wichtig und müssen ausgelebt werden können. Dabei können wir unsere Kinder unterstützen, in dem wir ihnen Gefühls-Vorbilder sind und in denen wir ihnen Möglichkeiten bieten, ihre Gefühle auszudrücken. Bei dem einen Kind wird Bewegung wichtig sein, beim anderen, dass es vielleicht zeichnen oder mit Ton arbeiten kann. Das kommt ganz auf die Persönlichkeit an. Sie müssen aber auch über die/den Verstorbenen reden dürfen, Bilder anschauen, Geschichten erzählen.
Denn die Beziehung zu dem Verstorbenen geht durch den Tod nicht verloren, sie wird nur anders.