Warum man mit Kindern ins Theater gehen sollte

Kinder fragen viel und auch viel „Warum“. Als mich meine Tochter vor kurzem fragte, warum man ins Theater geht, wusste ich ad hoc keine Antwort.

So tun als ob...

Das hat mich – ehrlich gesagt – selbst etwas aus der Fassung gebracht. Weil diese „Warum“-Frage so präzise gestellt war. Offenbar hat es ihr – 11 Jahre alt und eine „Digital-Native“ – nämlich nicht eingeleuchtet, warum sich Menschen an einem Ort versammeln, um dort anderen Menschen auf der Bühne dabei zuzusehen, wie sie tun, „als ob“, also eigentlich etwas simulieren.

Das ist einerseits verständlich: Denn im Zeitalter der digitalen Medien, des Internets und ähnlicher Tools und Kanäle, ist alles immer sofort und im Hier und Jetzt auf Knopfdruck verfügbar.

Zudem mag das Theater in seiner Form antiquiert anmuten.

Es hat selten etwas vom Spektakel-Charakter eines großen Popkonzertes, Schnitte und Effekte wirken meist fern der modernen Standards und überhaupt ist es so gar nicht nahe am Leben dran.

Die Frage ist also berechtigt: Warum Theater und warum soll man dort hingehen?

Nah am Leben

Wird dort nicht ohnehin „nur“ das Leben verhandelt, das man auch selbst führt? Ja und nein. Ich würde meiner Tochter, beim zweiten Nachdenken, damit antworten, dass das Theater zwar zumeist lebensnah ist, aber genau das seine Stärke ist.

Denn: Im Theater lässt sich das Leben der Anderen erleben, deren Fragen, deren Abgründe, deren Stärken und Schwächen. Gerade weil es so nahe dran ist, kann man im „geschützten Raum“ des Theaters mitleben, miterleben. Dieses Miterleben macht vieles möglich: Man darf sich identifizieren. Man darf mitleiden. Man darf sich fragen, was das alles mit dem eigenen Leben zu tun hat.

 

Theater als Ort der Gemeinschaft

Das ist die Stärke des „Mediums“ Theater. Man trifft sich dort mit Leuten, die gleichgesinnt sind. Die auch etwas erleben wollen, das vor allem in ihrem Inneren nachhallt. Sie suchen nicht das große Spektakel, die große Show, die große Geste. Sie sind meist bereit, „Innenschau“ zu halten und sich danach darüber auch möglicherweise auszutauschen.
 

Das Theater ist auch, das würde ich meiner Tochter ebenfalls zu vermitteln versuchen, ein sozialer Ort, ein Ort des Austausches, der Diskussion, des Diskurses. Und das würde sie sicherlich verstehen: Es ist auch ein Ort, an dem solche Diskussionen womöglich sogar fruchtbar sind, vor allem wegen der relativen Homogenität der Anwesenden.

Es ließe sich darüber sprechen, man hat einen gemeinsamen Fokus, ein gemeinsames Erlebnis. Online ist alles sehr oft vereinzelt, auf sich zurückgeworfen, fragmentiert. Nur allzu oft wird dort die Zuspitzung gesucht, die lauteste Meinung kundgetan, nur damit man eben gehört wird.

Im Theater ist es ruhiger, man kann noch im Foyer diskutieren, ins Gespräch kommen, sich austauschen, womöglich auch neue Kontakte und Freundschaften schließen.

Das gemeinsame Thema schweißt aber zusammen.

Ein Ort, der anders ist

Die Frage meiner Tochter ist also – bei näherem und genauerem Nachdenken – relativ leicht zu beantworten: Es braucht das Theater gewissermaßen als Gegengewicht zu der lauten, zerstreuten Gegenwart, in der sich vor lauter Informationsüberflutung und Dauerbeschallung kaum noch zur Ruhe, geschweige denn zum Nachdenken kommen lässt. Im Theater geht genau das: Es ist eine, zwei oder mehrere Stunden Auszeit. Ein Zeitraum, in dem man nur im Hier und Jetzt ist, kein Handy klingelt, keine Nachrichten eintrudeln und keine Nachrichten aus einer überkomplexen Welt laufenden auf einen hereinprasseln.

Womöglich lässt sich das aber nur im „Tun“ vermitteln, im konkreten Besuch.

Der Besuch mit meiner Tochter bei einem Theaterstück im Tiroler Landestheater ist schon fix eingeplant. Natürlich werde ich dabei auch einen Blick darauf haben, was für sie passend ist, welches Thema sie interessiert. Zugleich muss ich aber auch vermitteln, dass es genau auch das Überraschende ist, das Theater ausmacht, das Eintauchen in „fremde“ Themen und Welten.

Diese fremden Welten sind es dann auch, die einen bereichern, den Horizont erweitern und vieles mehr ermöglich. Theater ist wichtig! Gerade im Heute.

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