Die Eltern trennen sich. Und was nun? Teil 2/2
Eine Trennung bzw. Scheidung der Eltern ist für alle Familienmitglieder eine belastende Situation.
Im ersten Blogbeitrag hat Mag. Eva Gitschthaler, Landesleiterin von RAINBOWS Salzburg, darüber informiert, wie man Kindern die Trennung der Eltern mitteilt.
Im zweiten Teil des Interviews wenden wir uns den Fragen zu, wie Kinder Trennungen verkraften, wie wir sie als Eltern dabei unterstützen können und welche Wege und Modelle der Obsorge es gibt.
Welche Reaktionen sind von Kindern auf die Trennung zu erwarten?
Eva Gitschthaler: Eines möchte ich vorausstellen: Prävention ist wichtig! Im Idealfall lernt das Kind von Klein auf, mit Gefühlen umzugehen - wie werden unangenehme Gefühle leichter?
Reaktionen gibt es viele: Von Erleichterung über Regression, Wut, Trauer bis hin zu Angst.
- Eine angenehme Reaktion könnte sein, dass Kinder erleichtert sind, dass es keine ständigen Streitereien mehr gibt. Manche sehen es so, dass sie eine schöne Zeit bei Papa und eine schöne Zeit bei Mama haben können. Da ist den Eltern viel gelungen.
- Leider gibt es auch andere Reaktionen wie zum Beispiel die Regression: Vor allem jüngere Kinder können ins Kleinkindalter zurückfallen. Sie wollen wieder einen Schnuller haben, möchten wieder bei Mama im Bett schlafen, etc. Diese Verhaltensänderungen sollten nach einiger Zeit wieder verschwinden. Wenn es aber z.B. ein massives Einnässen über einen längeren Zeitraum gibt, dann bedarf es psychologischer Unterstützung. In solchen Fällen reicht auch eine Beratung beim Verein RAINBOWS nicht mehr aus.
- Trauer ist sicherlich die häufigste Reaktion. Kinder sind einfach traurig, dass sich die Eltern trennen.
- Auch Wut kann eine Reaktion sein. Sie bezieht sich oft auf den Elternteil, der die Trennung hervorgerufen hat, indem er/sie den Ehepartner/Ehepartnerin betrogen hat. Als Elternteil sollte man gut darauf achten, dass einem keine Anschuldigung "rausrutscht". Besser ist es zu sagen: „Wir haben uns nicht mehr lieb“ oder „Wir können nicht mehr miteinander“.
- Manche Kinder haben Angst, dass sich viel ändern wird, dass sie umziehen oder die Schule wechseln müssen und Freundschaften verloren gehen. Da können Eltern helfen, indem sie sagen: „Wir schauen, dass wir eine gute Lösung für dich/für euch finden!“
Wie merke ich als Elternteil, wie das Kind mit der Trennung klar kommt?
Eva Gitschthaler: Wir fragen die Eltern gerne, wie sich die Kinder denn üblicherweise verhalten. Sie kennen ihr Kind am besten. Lässt sich das Kind immer alles aus der Nase ziehen, dann werden sie auch hier nachfragen müssen.
Das kann z.B. so formuliert werden: „Ich merke, du bist heute sehr grantig“.
Wenn das Kind normalerweise von sich aus erzählt, dann wird es auch hier offen mit seinen Gefühlen umgehen und darüber reden. Wenn es jedoch nicht von sich aus erzählt, wäre es gut, nachzufragen.
Wann muss ich mir als Elternteil Sorgen machen?
Eva Gitschthaler: Zeigt das Kind ein Verhalten, das ich als Elternteil von meinem Kind nicht kenne? Kommt es beispielsweise gar nicht mehr aus seinem Zimmer? Oder beginnt das Kind, andere zu attackieren oder auf ein Haustier einzuschlagen? Dann muss man näher hinschauen.
Wir empfehlen, die Lehrerin oder die Kindergartenpädagogin über die Trennung zu informieren.
Die Pädagogen erleben die Kinder jeden Tag und es fällt auf, wenn das Kind sich anders verhält.
Es ist normal, dass beim Kind die Konzentration über einige Zeit abfällt, wenn es zu jedoch „zu viel“ wird, dann muss man eine Beratung überlegen.
Was können Eltern tun?
Eva Gitschthaler: Eltern sollen das Gespräch mit dem Kind suchen und fragen: „Was würde dir jetzt guttun?“
Das Kind möchte vielleicht einen Ausflug machen oder ein Geschenk als Trost bekommen.
Es muss aber verstehen lernen, dass die Traurigkeit dann nur kurz verschwunden ist.
Die Eltern müssen gemeinsam mit dem Kind etwas finden, das daheim, im Alltag gut tut. z.B. Zeit mit der Oma, mehr Kuscheln mit Mama, etc.
Manche Kinder, vor allem jüngere, haben die Angst, dass sie aus dem Kindergarten oder Hort nicht mehr abgeholt werden. Sie haben Verlustängste.
Solche Situationen erfordern Kreativität.
Vielleicht hilft es, wenn das Kind ein Objekt, das Papa wichtig ist, mit in den Kindergarten nimmt. Dem Kind ist klar: das Sammelobjekt will Papa wiederhaben und somit holt er auch mich sicher wieder ab.
Kinder werden auch fordern: „Mama und Papa - kommt wieder zusammen!" In dem Fall werden Eltern realistisch bleiben (müssen): Wir kommen nicht mehr zusammen.
Was kann ich tun, um die Familiensituation bzw. das Leben nach der Trennung für das Kind gut zu gestalten?
Eva Gitschthaler: Die Trennung muss klar vollzogen werden, damit sie für das Kind klar ist. Gemeinsam Weihnachten feiern oder auf Urlaub fahren, halten wir aus professioneller Sicht im ersten Jahr nicht für sinnvoll.
Auch wenn es als Ex-Paar oft schwer fällt - Eltern müssen miteinander reden und bestehende Regeln konsequent umzusetzen.
Das Kind sollte die Situation nicht ausnützen können - was Mama sagt, sollte nach Möglichkeit auch bei Papa gelten.
Dafür müssen Eltern die Paarebene verlassen. Funktioniert die Kommunikation auf Elternebene aber nicht mehr, rate ich Eltern, sich frühzeitig Unterstützung zu suchen. RAINBOWS bietet dafür Elterncoachings und Beratungen an.
Ich kann nicht oft genug betonen: Der Blick aufs Kind ist wichtig!
Wie könnte es denn nach der Trennung weitergehen?
Eva Gitschthaler: Das ist sicherliche situationsabhängig - was passt für uns jetzt am besten? Was ist umsetzbar? Berufstätige Mütter oder Väter können ja nicht plötzlich alles ändern.
Es gibt die verschiedene Modelle, die den Kontakt zu Mama und Papa sicherstellen.
Wir gehen von einer Situation aus, in der Gewalt oder Missbrauch nicht vorkommen, aber auch für diese gibt es Lösungen. Zum Beispiel ein stundenweiser Kontakt zwischen Kind und Papa unter Aufsicht in einem geschützten Rahmen.
- Möglich ist zum Beispiel die Regelung, dass die Kinder jedes zweite Wochenende beim einen Elternteil sind und unter der Woche zusätzlich eine Übernachtung oder 14tägig von Donnerstag bis Sonntag.
- Oder auch die so genannte "Doppelresidenz": Hierbei wohnt das Kind eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa. Voraussetzung ist, dass sich die Eltern gut verstehen, da der Austausch intensiv sein muss. Dieses Modell ist nur umsetzbar, wenn die Lebensumstände, also Wohnort und Schule, gleichbleiben. Das Kind kann schließlich nicht wöchentlich die Schule wechseln.
- Das Nestmodell: Das Kind bleibt im gemeinsamen Haus und abwechselnd ist ein Elternteil da. Das ist finanziell herausfordernd, weil Mama und Papa jeweils eine eigene Wohnung brauchen. Komplizierter wird es zusätzlich, wenn neue Partner dazu kommen.
Wir vom Verein RAINBOWS sehen die Trennung von Geschwistern sehr kritisch. Geschwisterbeziehungen zu zerreißen ist nicht zu empfehlen.
Das Wohl der Kinder muss immer an erster Stelle stehen!
Danke für das Gespräch, Frau Gitschthaler!
Der Verein RAINBOWS unterstützt Kinder und Jugendliche von 4 bis 17 Jahren in stürmischen Zeiten bei Trennung, Scheidung oder dem Tod naher Bezugspersonen und bietet auch Eltern Coachings und Hilfe an.