Kann man Social Media sinnvoll nutzen? Zwischen Suchtgefahr, Influencern und Flucht vom Alltag

Laut einer aktuellen Studie von saferinternet.at haben bereits Kinder ab 12 Monaten Kontakt mit dem Internet, ca. 75 % der Kinder unter 6 nutzen regelmäßig internetfähige Medien. Rund 37 Millionen Fotos von österreichischen Kindern landen pro Jahr im Netz, ein großer Teil davon in diversen Sozialen Netzwerken. Wie das sein kann? Reflektieren wir unser eigenes Verhalten.

Wie ist das eigentlich bei Erwachsenen?

Doch eigentlich geht es mir um etwas ganz Anderes: Was interessanterweise kaum untersucht wird, ist der Anteil bei Eltern: Wie viele Stunden pro Tag verbringt der durchschnittliche Elternteil wohl mit Social Media? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ich weiß nur eines: bei mir waren es viele. Zu viele? War ich süchtig? Darüber habe ich immer wieder nachgedacht.

Und damit war ich nicht allein – es gibt diverse Studien zu Sozialen Netzwerken, Suchtverhalten und Entzug.

Suchtgefahr?

Klar ist, dass Social Media und Internetnutzung besonders bei Frauen zu ähnlichen Abhängigkeiten führen kann wie Gaming oder Pornografie bei Männern. All diese Beschäftigungen docken ähnlich wie Drogen und Sex am Belohnungszentrum im Gehirn an. Bei jeder erfolgreichen Aktion wird ein bisschen Dopamin ausgeschüttet und das führt dazu, dass man immer mehr will.

Besonders bei Frauen, und dann noch einmal spezifischer: bei jungen Müttern, kann Social Media regelrecht zu einem Sog werden. Zuerst ist es nur „Beschäftigung“, wenn nichts anderes zu tun ist. Durch Facebook scrollen, Tumblr checken, auf Snapchat schauen, Instagram updaten, auf Pinterest nach Ideen suchen, lustige TikToks angucken. Unbemerkt wird die Nutzung immer mehr und mehr – anfangs ist es nett, in Kontakt mit Freunden zu bleiben, dann spannend, einigen Interessen zu folgen, bald eine Ablenkung oder „Erholung“, dann das Gefühl, man könnte etwas verpassen – und irgendwann der erste Blick am Morgen und der letzte am Abend. Man verbringt tatsächlich Stunden damit und hat trotzdem nie das Gefühl, fertig zu sein.

Klar, es sind wunderbare Ideen und motivierende Bilder dabei, manchmal sogar Austausch zu wichtigen Themen, Inputs von diversen Profis und solchen, die gern welche wären. Auch ich konnte mir Inspiration für mein Arbeitsleben und Privatleben holen und gleichzeitig fiel ich immer wieder in die bekannte Falle: denn so schön wie auf Pinterest oder Instagram ist das reale Leben selten.

Die Kehrseite ist definitiv, dass einfach wenig „reale“ Zeit bleibt. Eine Studie aus 2017 zeigt auf, dass Erwachsene zwischen 21 und 30 Jahren durchschnittlich 6,9 Stunden täglich online sind. Es ist ja auch „schöner“, sich wunderschöne Bowls und Rezepte anzusehen als selbst zu kochen. DIY und Makeover Reels sind toll, aber für Ordnung im eigenen Haus ist es dann zu spät.

Entzugserscheinungen

Spätestens wenn Unterbrechungen und Störungen oder eine gewisse Zeit ohne Social Media zu Ärger, Ungeduld oder regelrechten Entzugserscheinungen führen, sollten eigentlich alle Alarmglocken läuten!
Zwei Wissenschafter aus Österreich haben eine Studie zum Thema Sucht/Entzug durchgeführt, bei denen eine 7-tägige Zeit ohne Social Media beobachtet wurde. Von 1000 eingeladenen Personen zeigten nur etwa 30 % Interesse, davon nahmen nur 152 wirklich teil – und nur 62 hielten es wirklich durch, 7 Tage nicht online zu sein. Es zeigten sich bei den Teilnehmern rasch typische Entzugserscheinungen wie bei Suchtmitteln.

Erschreckend, oder?

Mutter am Handy

Mein Aha-Effekt

Für mich kam der Aha-Effekt durch einen Moment mit meiner jüngeren Tochter: ganz selbstverständlich griff unsere mittlerweile 6-jährige nach meinem Handy und wollte – so wie sie es eben bei mir auch oft gesehen hat – „wischen“. Das war mir ganz und gar nicht recht! Einerseits war ich wütend, denn mein Handy ist kein Spielzeug; andererseits möchten wir eigentlich nicht, dass unsere Kinder einfach so Medien konsumieren. Hoppla! Ganz klar, mein Vorbild war leider auch in diesem Bereich „angekommen“. Auch bei Social Media Nutzung sollten wir uns immer wieder fragen: kontrolliere ich den Konsum oder kontrolliert er mich?

Auch bei Social Media Nutzung sollten wir uns immer wieder fragen: kontrolliere ich den Konsum oder kontrolliert er mich?

Aber auch: Was zeige ich meinen Kindern durch meine Mediennutzung? Womit „füttere“ ich meinen Kopf und mein Herz? Wie nutze ich meine Zeit?

Zurück in die Realität

Der erste Schritt „heraus“ aus der dauernden Social-Media-Nutzung ist eine Handy-Entrümpelung. Alle Apps deinstallieren, die ein komisches Gefühl verursachten, alles, was man seinen Kindern nicht zeigen würde und alles, was nur Unzufriedenheit und Neid produziert. Da bleibt meist nur mehr wenig übrig! Weg mit dem Handy aus dem Schlafzimmer und weg damit, wenn die Kinder im gleichen Raum sind! 

Das einzige soziale Netzwerk, das ich nach wie vor regelmäßig nutze, ist Instagram. Und dort sortiere ich radikal aus, wem ich noch folge und was ich sehen kann: es sind tatsächlich nur mehr wenige Accounts und ein einziger Hashtag, vor allem Vorbilder im Glauben, in der Lebensführung und „echte“ Freunde und Verwandte. Bei einigen wenigen bin ich mir nicht ganz sicher – die schalte ich vorerst auf stumm und schaue, ob ich sie vermisse.

Weg mit dem Handy aus dem Schlafzimmer und weg damit, wenn die Kinder im gleichen Raum sind! 

Die verbleibenden Personen und Themen dürfen mich „influencen“, also mein Denken und Handeln beeinflussen und inspirieren. Das sind alles authentische Menschen, die nicht nur happy-perfekte Fotos und Storys posten, sondern vom echten Leben erzählen.

Außerdem erzähle ich von diesen Menschen und Gedanken auch meiner Familie, genau so, wie ich von Telefonaten oder Treffen, einem guten Buch oder einer interessanten Nachricht berichte.

Mein Resümee

Ja, Social Media kann süchtig machen, davon bin ich überzeugt. Es kann eine Flucht aus der realen Welt in eine perfekte Alternativwelt sein, aber es gibt in den sozialen Medien auch echte Menschen, echte Vorbilder und echte Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung.

Wichtig ist, hauptsächlich in der realen Welt präsent zu sein und immer wieder kritisch auf den Medienkonsum – auch im Sinn der Vorbildwirkung – zu schauen. Und hin und wieder einige Tage „Urlaub“ zu machen und nachzuspüren, wie sehr man vielleicht doch abhängig ist.

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