Klimakleber: Wie wir als Familie damit umgehen
Natürlich leugnen wir den Klimawandel nicht und sind alarmiert. Natürlich unterstützen wir die „Klima-Anliegen“. Aber wir stießen auch bereits an Grenzen.
Die vermeintliche „Grenze“ war banal. Unsere beiden Mädels (11 und 15 Jahre alt) wollten in die Schule. Beziehungsweise mussten es. Wir hatten die Rechnung jedoch ohne die sogenannten „Klimakleber“ gemacht, denn diese hatten in diesem Zeitraum beschlossen, unseren Stadtteil von mehreren Seiten her zu blockieren.
Das hieß: Die Kinder saßen zwar im Bus und waren damit nicht von der Totalblockade betroffen, aber dennoch staute es sich und die Busse wurden nur langsam vorbeigelassen. Das wiederum führte dazu, dass unsere Große zur spät zur Schularbeit kam und diese nicht mehr schreiben konnte.
Höhere Gewalt, klar. Und sie konnte die Schularbeit auch problemlos nachschreiben.
Dennoch frage ich mich, warum ich damals so reagierte, wie ich reagierte: Ich setzte mich kurzerhand ins Auto, wollte meine Mädels abholen und sie dann, im Unwissen, dass der Stadtteil von allen Seiten blockiert war, über einen anderen Weg in die Schule bringen.
Es war ein Gefühl der Machtlosigkeit, dass mir das nicht gelang. Es war ärgerlich, ich war wütend.
Und das, obwohl ich, wie bereits erwähnt, eigentlich solidarisch mit den Klimaaktivisten und deren Anliegen war.
Diesen meinen Ärger haben natürlich auch unsere Kinder mitbekommen. Für mich hieß das, dass es jetzt Gesprächsbedarf geben würde. Denn ich hatte die Befürchtung, dass ich mit diesem Ärger quasi das Kind mit dem Bade ausschütten könnte und der Ärger auch auf unsere Kinder überging. Was zur Folge haben konnte, dass sie auch kein Verständnis mehr für die Klima-Aktivisten hatten.
Denn das wäre aus meiner Sicht grundfalsch: Etwas mit Ärger und Wut zu überziehen und damit potenziell eine ähnlich unreflektierte und grobschlächtige Reaktion unsere Kinder zu provozieren oder zu generieren.
Stattdessen müssen wir, in jeweils kindgerechter Sprache, wohl über die Wahl der Aktivismus-Mittel reden.
Treffen die Proteste die Richtigen? Welche Anliegen stehen genau dahinter?
Wie können wir uns mit den Aktivisten gegebenenfalls solidarisieren und wie können wir aktiv Kritik äußern, wenn wir der Meinung sind, dass die Art und Weise der Proteste in die falsche Richtung gehen?
Wir sind uns einig geworden: Wir wollen nicht nur jammern, schimpfen oder auch Zustimmung über die Ferne leisten. Wir wollen, denn das ist ja möglich, aktiv in einen Dialog treten. Also haben wir die „Veranstalter“ dieser Aktionen in Innsbruck, die „Letzte Generation“ kurzerhand angeschrieben und ihnen die hier beschriebene Situation geschildert und auch unser Hadern damit, dass wir ja eigentlich solidarisch sind, aber jetzt halt doch als „Betroffene“ und damit vermeintlich Kritisierte auf der vermeintlich falschen Seite stehen.
Die Antwort war herzlich, verständnisvoll, konstruktiv.
Was und darüber hinaus aber wichtig war: Unsere Kinder sollten lernen, dass der Dialog immer besser ist als der einseitige, womöglich gar wütende Monolog. Der Austausch zählt, der Diskurs und die kritische Auseinandersetzung auf Augenhöhe.
Und so hatte der an sich widrige Vorfall sein Gutes: Wir haben als Familie über die Sache diskutiert.
Wir sind gemeinsam aktiv geworden. Wir haben uns gemeinsam geäußert. Wir sind dadurch wieder eine kompaktere Einheit und haben zudem ein Thema bearbeitet, das uns wichtig ist: Die Schöpfungsverantwortung und wie sich diese in den Alltag integrieren lässt. Damit einhergehend natürlich auch die Frage, inwiefern wir uns mit den „Klimaklebern“ solidarisieren wollen und wann es uns zu „radikal“ war und wann sich andere Interessen in den an sich richtigen und wichtigen Klimadiskurs hineinmischen.
Am wichtigsten ist es uns aber, dass wir unsere Kinder stets in solche Fragen mit einbinden.
Und sie dabei weder überschätzen, aber auch keineswegs unterschätzen. Ganz nach dem Motto: Unseren Kindern ist Wahrheit zumutbar und sie verstehen schon mehr, als wir ihnen zum Teil zutrauen. Vor allem betrifft die Sache mit dem Klima sie selbst massiv: Es ist schließlich vor allem ihre Zukunft, die hier auf dem Spiel und zur Debatte steht.