Unser Umgang mit familiären Ausnahmesituationen
Ausnahmesituationen haben sich in Zeiten einer Pandemie verschärft, rasch fallen vermutlich jedem Beispiele ein: Mit Corona oder Grippe zuhause in Quarantäne, oder ein geliebter Mensch stirbt. All das führt dazu, das der Familienalltag auf der Kippe steht.
Im ersten Fall kollabiert eine Sache sehr schnell: Die Aufteilung der Funktionen, Aufgaben und Rollen. Die Frage, wer einkaufen geht, wer den Großteil des Haushalts schupft und wer dafür zuständig ist, für Bewegung und Unterhaltung zu sorgen wird auf den Schlag hinfällig. Es geht vielmehr darum zu funktionieren, zu improvisieren und rasch Notfallpläne zu schmieden. Einiges, etwa einkaufen gehen, kann überhaupt nicht mehr ohne Hilfe und Unterstützung von außen erledigt werden. Darin haben Familien meist bereits einen guten Erfahrungsschatz. Nicht zum ersten Mal ist man „außer Gefecht“ und sieht Strukturen und Aufteilen bröckeln oder gar zusammenbrechen. Dafür gibt es Freunde, die einem dabei helfen, Notmaßnahmen einzuleiten.
Hilfe annehmen, wenn nötig
Und das ist auch schon das Erste, was man seinen Kindern vorleben kann: Sich nicht zu schade sein, auf Hilfe zurückzugreifen und diese auch anzunehmen. Man kann, so ein möglicher Lerneffekt, nicht immer alles alleine schultern und bewältigen. Hilfe annehmen ist dabei kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen dafür, dass man die Situation richtig einschätzt und rasch im richtigen Kontext auf die richtigen Leute „zurückgreift“.
Man kann nicht immer alles alleine schultern.
Man darf sich aber als Familie eingestehen, dass das Gefüge eben mal nicht mehr funktioniert, sondern auf Sparflamme existiert. Nicht alles muss mit Hilfe und Unterstützung von Außen kompensiert und wiederhergestellt werden. Was passiert schon, wenn die Wäsche einmal liegen bleibt, der Haushalt mal nicht perfekt ist und nicht jeder Zentimeter der Wohnung gesaugt ist? Viel wichtiger ist die Fokussierung von dem „Äußeren“ des Haushaltes auf das „Innere“ der Familie: Wie geht es uns, wie fühlen wir uns, was tut uns jetzt gut, was brauchen wir wirklich?
Ein Todesfall wirkt ernüchternd
Ein Todesfall eines nahestehenden, geliebten Menschen macht uns das noch bewusster: Schnell fühlt sich unser so mühevoll erarbeitete Familienalltag leer und rein funktional an. Es scheint so, als ob sich die vielen Hangriffe, die wir zum Teil wie selbstverständlich ausführen, unwichtig geworden wären. All die Handgriffe, mit denen wir einen funktionierenden Alltag aufbauen, um dann auch Zeit für uns zu haben, wirklich plötzlich fremd.
Womöglich ist dann auch der passende Zeitpunkt, um einen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Gut denkbar, dass es nicht die funktionierende Struktur ist, die allem vorangelagert ist, sondern dass die gemeinsame Zeit das ist, was wirklich zählt. Warum nicht einmal das liegen und stehen lassen, das vermeintlich aus dem Weg zu schaffen ist, um dann ganz unbeschwert Zeit miteinander zu verbringen?
Nur die gemeinsame Zeit zählt.
Über alldem steht die Erkenntnis, dass unvorhergesehene Ereignisse auf mehr oder wenig unangenehme Art und Weise aus dem Alltag reißen können. Aus dem Alltag, den man fast schon zu sehr „automatisiert“ und verinnerlicht hatte. Der Alltag von dem man bis dahin glaubte, es brauche ihn, um der Komplexität des familiären Zusammenlebens Herr zu werden, tritt plötzlich in den Hintergrund. Andere Dinge, die unter dieser Last etwas ins Hintertreffen gekommen sind, gewinnen auf einen Schlag wieder an Bedeutung. Das ist höchstwahrscheinlich auch gut so.