Warum Kinder (nicht) dankbar sein müssen
Dankbarkeit kommt in der Familie oft zu kurz. Vor allem in gewissen Lebensphasen von Kindern. Dabei tut man als Elternteil doch alles was so möglich ist!
Vom Sport abholen. Zum Tanzkurs bringen. Frisches Essen kochen, trotz größten Stresses. Die Wäsche waschen. Gemeinsam den Koffer packen. Diese Liste könnte noch sehr lange fortgesetzt werden.
Ich will Anerkennung und Dankbarkeit.
Auch wenn man es nicht gerne zugibt. Insgeheim will man als Elternteil dafür eine Art von Gegenleistung, am liebsten in Form von unbedingter Dankbarkeit und/oder Huldigung der elterlichen Fertigkeiten, was Organisation und Letztverantwortung betrifft.
Die Realität ist aber oft auch: Dankbarkeit bleibt aus. Oder ist nur halbherzig. Oder äußert sich gar in barscher Undankbarkeit. Wenn dann bei letzterem Fall, im Eifer des Gefechts und des Stresses von kindlicher Seite ein böses Wort in Richtung Elternteil fällt, dann hält man ebenjenes Kind für das undankbarste Kind der Welt.
In der Realität bleibt sie aber oft aus.
Das kann zu einer Art von Eltern-Kind-Beziehungs-Abwärtsspirale führen, in denen man sich als Elternteil eher fremdbestimmt und als nützlicher Dienstleister denn als geliebter Vater oder geliebte Mutter fühlt.
Ein richtiges Reagieren scheint schwer. Aber dennoch: Dankbarkeit zu erwarten dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der falsche Ansatz sein. Diese kommt, quasi als Geschenk. Vielleicht nicht sofort, vielleicht erst sehr spät. Aber es ist wie ein Samen, der erst langsam keimen muss, der dann aber zur vollen Blüte gelangt.
Für Dankbarkeit muss man sich in Geduld üben.
Denn merke: Oftmals wird nur dann wahrgenommen, was DA ist und was GELEISTET wird, wenn es nicht mehr da ist. Zieht das Kind später als junger Erwachsener etwa aus, wird ihm erst bewusst, was Mama und Papa so alltäglich geleistet haben – und das noch dazu fast völlig lautlos und eben also unbemerkt.
Denn das ist womöglich das Wesen der elterlichen Fürsorge und des elterlichen Organisationstalentes: Alles funktioniert so, dass es quasi lautlos ist. Alles geht so reibungslos über die Bühne, dass das Kind womöglich gar nicht bemerkt, dass es ansonsten überhaupt Reibungen geben könnte. Es gibt wenig Flächen und Zahnräder, die nicht ineinandergreifen.
Oft muss man warten bis das Kind auch Erwachsen ist.
Was also tun? Auch mal etwas scheitern lassen und damit zeigen, dass man „nur ein Mensch“ ist? In diesem Mensch-Sein offenbart sich, dass es einiges an Organisationsleistung benötigt, damit alles reibungslos funktioniert. Das Unsichtbare wird sichtbar. Das Selbstverständliche zeigt sich in seiner ganzen Komplexität und darin, dass es eben nicht so selbstverständlich ist.
Dankbarkeit stellt sich dann in solchen Situationen vermutlich auch nicht ein. Vermutlich eher im Gegenteil. Gut denkbar nämlich, dass es in Unverständnis endet oder gar in ausgemachter Undankbarkeit und Frustration. Aber: Es geht damit fast gewisse eine Erkenntnis einher. Eine neue Wahrnehmung. Und damit womöglich auch mal das Lob und die Dankbarkeit beim nächsten Mal, wenn wieder alles völlig reibungs- und lautlos funktioniert.