"Was ziehe ich heute an?" - Die Kleiderfrage bei Schulkindern
Die fast 9-Jährige möchte unbedingt ihren Lieblingsrock tragen, dabei ist der eine Nummer zu klein und viel zu kurz. Was die Tochter aber nicht im Geringsten stört. Am liebsten würde sie dazu ein bauchfreies Top kombinieren, weil der Sommer naht.
Wegen dieses Outfits gibt es immer mal wieder eine Diskussion zwischen Mama und Tochter, die durchaus als hitzig bezeichnet werden darf.
Wie schaffen es Eltern, ruhig zu bleiben, einen „angemessenen Kleidungsstil“ ohne großen Streit zu vermitteln und dabei mit den Kindern in Gespräch zu bleiben?
Ich habe für ältere Kindergartenkinder und Volksschulkinder Anregungen zusammengetragen.
Was ist überhaupt angemessen, was ist ein „ordentlicher Kleidungsstil“?
Ich denke, es kommt auf die Situation an. In der Freizeit, beim Sport oder beim Treffen mit Freunden ist ein bauchfreies Shirt absolut in Ordnung, da muss ich als Elternteil auch akzeptieren, dass mir das vielleicht nicht gefällt. In der Schule und bei formellen Anlässen hingegen ist eine angemessene Kleiderwahl erforderlich.
Mode dient der Identitätsfindung, Abgrenzung oder signalisiert Zugehörigkeit
Kurz: Kleidung ist eine Botschaft.
Was wir als Eltern immer im Hinterkopf behalten müssen: Mode dient der Selbstinszenierung, der Abgrenzung und ist Ausdruck der Persönlichkeit. Wir erhalten Reaktionen von unserem Umfeld. Wir wollen auffallen mit unserem Stil oder so unauffällig wie möglich sein, je nach Laune.
Besonders Teenager experimentieren mit ihrer Kleidung, wollen Grenzen austesten und warten auf die Reaktion der Eltern.
Wie ist das nun mit dem bauchfreien Top oder dem kurzen Rock? Die Tochter zieht den Rock gerne an und sieht damit „sexy“ aus, obwohl sie die Bedeutung dieses Wortes noch gar nicht kennt. Sie fühlt sich älter und näher am Erwachsensein. Sie sieht im TV, auf Werbeplakaten und in Zeitschriften erwachsene Frauen, die knapp bekleidet etwas bewerben.
Hier versuche ich zu vermitteln, dass diese Art sich zu kleiden nur selten angemessen ist und die leicht Bekleideten keinen repräsentativen Querschnitt darstellen. „Die sind nicht echt“. Wer läuft denn bei Schneefall im Winter mit Minirock und High Heels herum?
Grundregeln festlegen und dann flexibel sein
Um der täglichen Outfit-Diskussion entgegen zu wirken, bedarf es ein paar Grundregeln. Bei uns sind das z.B. dass der Pyjama nur im Haus getragen wird und ein Badeanzug ist kein Kleidungstück, mit dem man in die Schule geht etc. Es gibt auch einige Kleidungsstücke, die nicht am Spielplatz getragen werden „dürfen“ z.B. das festliche Dirndlkleid oder die weißen Ballerinas.
Wenn die Kinder nun etwas anziehen möchten, mit dem ich nicht einverstanden bin, werde ich Bedenken äussern (die oft ignoriert werden), meine Gründe für die Ablehnung anführen (wenn ich gute Argumente habe, klappt das) und gegebenenfalls die Außenwirkung eines Kleidungstückes thematisieren.
Verbote bringen nichts! Im Gegenteil, sie führen dazu, dass die Kinder das Kleidungsstück dann unbedingt anziehen möchten.
Ich bemühe mich, offen zu bleiben für Argumente, die ich vorher nicht gesehen habe. Die Kinder und ich suchen dann zusammen eine Lösung z.B. kann man eine blickdichte, warme Leggins unter den kurzen Rock tragen, das Tütü darf im Kindergarten getragen werden, wenn dazu eine Strumpfhose und ein Pullover kombiniert wird und das bauchfreie Top ist erlaubt, wenn eine Jacke darüber getragen wird die in der Schule geschlossen bleibt.
Natürlich kosten tägliche Diskussionen um das Outfit Nerven und Kraft. Mein Tipp: Gelassener werden.
Die Diskussionen und Verhandlungen brauchen natürlich Zeit, daher legen wir bereits am Abend die Klamotten für den nächsten Tag zurecht und überlegen gemeinsam.
Wichtig ist mir folgende Reihenfolge:
- Warm muss es sein
- die passende Größe
- Fleckenfrei und sauber
- und erst dann den stilistischen Ansprüchen von Mama/Papa genügen
Ein guter Stil aus Erwachsenensicht und angemessene Kleidung sind zwei paar Schuhe
Das Kind sollte im Idealfall tragen können, was es will. Es darf seinem eigenen Geschmack vertrauen und einen Stil für sich entwickeln.
Wir Erwachsenen sollten ab und zu einen Schritt zurücktreten und die Kinder machen lassen, nicht zwangsläufig unsere Vorstellungen und unseren Stil aufzwingen - da geht es schon mal bunt zu.
Nur eben – wie oben erwähnt – möglichst gelassen vermitteln, was in welcher Situation adäquat ist.
Kinder im Vorschulalter sind besonders stolz, wenn sie sich selbst Kleidung aussuchen und anziehen können- auch wenn der Mustermix oft eine optische Beleidigung für Mama ist und ich mir vielleicht Gedanken mache, was andere Eltern denken werden.
Wenn nun der Geschmack der Eltern und Kinder total auseinandergeht, helfen nur noch Kompromisse:
- Das Kind darf an den meisten Tagen im Jahr die Kleiderauswahl treffen, zu besonderen Anlässen (Verwandtenbesuche, Hochzeiten, Taufen, Weihnachten, Ostern, Theaterbesuche) dürfen die Eltern aussuchen.
- Eltern bestimmen das Outfit, das Kind die Accessoires und den Schmuck.
- Ein Veto pro Outfit für die Eltern – somit ist sichergestellt, dass das Shirt mit dem besonders dämlichen Spruch nicht in die Schule getragen wird.
Einkaufen
Wenn wir gemeinsam einkaufen gehen, dürfen sich die Kinder Kleidungsstücke aussuchen, die sie „brauchen“ (weil sie z.B. aus allen Hosen rausgewachsen sind) Wir vereinbaren vorab die Anzahl und Art der Kleidungsstücke und eine ungefähre Summe.
Beim gemeinsamen Einkaufen bleibe ich mit den Kindern im Gespräch, ich kann ihnen helfen den eigenen Stil zu entdecken, entwickle mit ihnen gemeinsam Kombinationsmöglichkeiten und habe außerdem Einfluss darauf, was im Kleiderschrank landet.
Ähnlich verhält es sich beim online-Einkauf. Ich treffe eine Vorauswahl und lege es in den Warenkorb, die finale Selektion machen meine Töchter.
Manchmal bekommen meine Kinder Sachen, die „alle“ haben, aber eigentlich nur, wenn sie sie brauchen.
Wenn wir also sowieso neue Sneaker besorgen müssen, bin ich bereit, ihnen jene zu kaufen, die alle anderen in der Klasse auch haben. Ich glaube jedoch, dass so ein angesagtes Kleidungsstück nur eine begrenzte Zeit glücklich (oder beliebt) macht. Genau das erkläre ich meinen Töchtern und bisher war es kein Problem.
Der Wunsch nach einem bestimmten, teuren Markenartikel war noch nicht da, wird aber sicher bald kommen. Das ist dann wohl ein Thema für den nächsten Blog.