Wenn Kinder völlig unterschiedlich sind
Tag und Nacht. Ying und Yang. Vor kurzem wurde mir bewusst, dass unsere Mädels (12 und 15) offenbar aus ganz anderen Welten stammen. Aber wie gehen wir damit um?
Um eines klarzustellen: Weder Vaterschaft noch Mutterschaft stehen zur Debatte oder gar in Zweifel. Dennoch sind unsere beiden Mädchen so unterschiedlich, dass meine Frau bereits vor Jahren am Spielplatz darauf angesprochen wurde, ob die Kinder von zwei Vätern seien.
Ihr entrüstetes „Nein“ war zwar schnell zur Hand, löste aber auch in ihr etwas aus.
Wir debattierten darüber, wie das „sein kann“, bzw. dass die Unterschiede der beiden deutlich über ihre optischen Unterschiede hinausgehen.
Jahre später - es steht eine Party an
Meine Schwiegermutter bzw. ihre Oma feiert einen wichtigen runden Geburtstag. Sie entscheiden sich für ihre Outfits.
Die Große trägt Schwarz, die kleine Weiß. Gedankenverloren nenne ich sie „Ying und Yang“.
Sie reagieren zuerst stark darauf, scheinen es dann aber zu akzeptieren. Zugleich sind sie aktuell ein Herz und eine Seele, verbinden also ihre Unterschiede wohl auf gute Art und Weise.
Doch darum soll es nicht gehen. Vielmehr eben um die absolute Unterschiedlichkeit, die sich etwa darin äußert, dass die „Große“ seit sie 11 Jahre alt fanatische Musikhörerin ist, die neusten Musiktrends usw. kennt, während die Kleine, obwohl mittlerweile 12, absolut kein Interesse daran hat. Sie treffen sich vor allem bei einer Sache: Bein gemeinsamen Ansehen von neuen TikToks oder Reels. Das scheinen offenbar beide zu mögen.
Unterschiede
Das sind natürlich nur oberflächliche Unterschiede. Aber sie sind symptomatisch für eine ganze Reihe von anderen Differenzen. Die „Große“ ist etwa sehr impulsiv, kann kaum ihre Gefühle in Zaum halten (nicht erst, seit sie in der Pubertät ist), die „Kleine“ ist sehr viel eher jemand, der Gefühle „in sich hineinfrisst“ und sich damit kaum aus ihrem emotionalen Schneckenhaus herauswagt. Eher muss man nachbohren, präzise nachfragen, damit man überhaupt zu wirklichen Gefühlsregungen kommt.
Über weitere Details der Unterschiedlichkeit der beiden ließe sich wahrlich noch länger und vor allem noch viel tiefgehender schreiben.
Letzten Endes stellt sich die Frage: Wie gehen wir als Eltern damit um?
Denn mit dieser Unterschiedlichkeit geht es zwangsläufig einher, dass wir uns zu den jeweiligen Kindern etwas mehr „hingezogen“ fühlen. Mit der „Große“ kann ich beispielsweise sehr gut über neueste popkulturelle Phänomene reden, mit der „Besonnenheit“ unserer „Kleinen“ kann wiederum meine Frau sehr viel anfangen.
Wie entgeht man als Elternteil damit also der sehr naheliegenden Gefahr, eines der Kinder zu bevorzugen, oder zumindest mehr Raum zu lassen?
Ich glaube, da kommt die grenzenlose Liebe ins Spiel, die Eltern für ihre Kinder empfinden.
Diese Liebe macht es möglich, all die Unterschiede zwar zu sehen, diesen aber keinen allzu großen Stellenwert beizumessen. Denn es geht ja schließlich nicht darum, was man selbst mag und welche Eigenschaften man gerne bei seinem Kind sehen möchte.
Sondern es geht darum, die jeweiligen Unterschiede zu akzeptieren, ja mehr noch: Zum Vorschein kommen zu lassen. Es ist Aufgabe der Eltern, die Unterschiedlichkeit und die Charakteristika der Kinder zu unterstützen, zu fördern und ihnen dabei nichts in den Weg zu legen. Im Gegenteil: Wichtig ist, etwaige Hindernisse aus dem Weg zu räumen und ihnen dabei behilflich zu sein, dass sie selbst Hürden auf dem Weg, ganz sie selbst zu werden, zu überspringen.
Jeder ist das, was er ist. Jeder ist „er bzw. sie selbst“.
Eltern haben sich nicht zu fragen, woher die Unterschiede kommen, sondern haben diese bedingungslos zu akzeptieren und sogar noch zu verstärken!
Seit wir uns dieser Tatsache bewusst sind, haben wir quasi das Beste aus allen Möglichkeiten zuhause: Unsere Mädels, die sich so herrlich ergänzen, die so schön unterschiedlich sind und die wir so bedingungslos lieben!