Sind Familienurlaub und Erholung Gegensätze?

„Urlaub mit Kindern ist auch nur Care-Arbeit mit schöner Aussicht.“ begegnet mir in den sozialen Medien immer wieder. Ist ein erholsamer Familienurlaub wirklich eine Mär? Oder hängt es von der Anzahl der Kinder oder ihrem Alter ab?

Wir haben wirklich schon viel probiert.

Ich habe drei Kinder im Alter von 10, 8 und 3 Jahren. Wir bekommen es als Familie derzeit definitiv nicht auf die Reihe im Sommer einen für alle schönen gemeinsamen Urlaub zu
verbringen.

Und wir haben schon einige - mehr oder weniger - frustrierende Versuche hinter uns:

  • Gemeinsam mit den (Schwieger-) Eltern: funktionierte mit einem Kleinkind, erhöht jetzt aber das Chaos und verlangsamt die Entscheidungsfindung im Urlaub noch mehr.
  • Mit Freund*innen und anderen Kindern: gleiches Prinzip.
  • Leistbares Hotel: zu eng im Zimmer und ständig am Kindersuchen (und diskutieren, was wir machen), bei den Mahlzeiten stets auf den Beinen, um irgendetwas für irgendwem vom Buffet zu holen.
  • Ferienwohnung zur Selbstversorgung: Programm ist geklärt (wir sind ständig am Besorgen und Zubereiten von Essen für unsere immer hungrigen Kinder), Erholungseffekt gering.

 

Gemeinsames Programm: Fehlanzeige

Obwohl ich zum Erholen wirklich am liebsten alleine wäre, freue ich mich im Urlaub auf Familienzeit.

Gemeinsames Spielen, wandern, Ausflüge machen. Doch vor allem mein ältestes Kind hat die Gabe, bereits bevor wir alle Koffer im Quartier verstaut haben, eine Freundin gefunden zu haben. Mit Vorliebe ist diese Freundin ein behütetes Einzelkind. Anstatt Zeit zu fünft zu verbringen, schlichten wir Streit, weil das mittlere Kind sich ausgeschlossen fühlt (meist aus gutem Grund) und dann zum Störenfried wird. Oder wir sind damit beschäftigt unser Kind aus einem fremden Zimmer/Ferienhaus zu lotsen, und Ausflüge möglichst heimlich zu starten, damit sich nicht - wieder - eine weitere Familie anschließt. Es ist ja nicht so, dass wir keine Menschen mögen, aber die Kinder liefern uns bei Ausflügen ohnehin genug Gesprächsthemen, weil a) die Beine vom Gehen weh tun, b) sich wieder Hunger ankündigt oder c) die Sonne scheint und es heiß ist. Da bleibt kein Platz und keine Muße für Small Talk.

Wir haben den gemeinsamen Sommerurlaub abgeschafft

Nach mehreren Jahren in Folge, die genau so ausgesehen haben, haben wir für uns den gemeinsamen Sommerurlaub gestrichen. Nicht, dass die Urlaube eine Katastrophe gewesen wären. Sie waren schon ganz schön. Aber sie haben uns nicht das gegeben, was wir alle eigentlich am meisten brauchen:

Erholung

Das Geld - so sind mein Mann und ich uns einig - wäre anders besser investiert gewesen. Da der Sommer zuhause mit unseren Kindern zwar günstiger, aber auch nicht erholsamer ist, erholen wir uns als Elternteile jetzt abwechselnd. Dieses Jahr war ich alleine mit den Kindern eine Woche auf einem Bauernhof - mein Mann hatte unser Zuhause für sich alleine.

Letztes Jahr fuhr er mit den Kindern weg und ich war zum ersten Mal seit 9 Jahren 5 Tage am Stück alleine. Ich traf bewusst niemanden, lag den halben Tag mit einem Buch im Bett, ging alleine wandern, schwimmen und Fahrrad fahren und aß abends auf der Terrasse scharfe Gemüsegerichte bei einem Glas Wein. Es war ohne Übertreibung die schönste Woche im ganzen Jahr (und das schreibe ich hier mit Freude über diese besonderen, selbstbestimmten Tage, nicht mit Trauer darüber, dass der Rest des Jahres anders aussieht).

Wiederholung ist King


An einen Urlaub alleine mit drei Kindern gehe ich ganz anderes heran. Ich wähle einen schon bekannten Ort, an dem die Kinder schon wissen, was sie machen können und wollen. Das macht es viel einfacher (Überraschungen sind für sie nicht so einfach und machen - zumindest zwei meiner Kinder - schnell unrund). Eine neue Aktivität können wir starten, wenn (sofern wir diesen Punkt erreichen) alle entspannt sind.

Doch etwas zu finden, das allen gefällt, ist gar nicht so einfach. Unser größter gemeinsamer Nenner ist: Schnee. Erholung ist Skifahren zwar auch nicht, aber auf der Piste haben wir zumindest alle eine schöne Zeit (die Kinder teilweise im Skikurs). Das Programm ist vorgegeben, und was nach 16 Uhr dann noch möglich ist, ist aufgrund des frühen Sonnenuntergangs überschaubar. Unseren gemeinsamen Urlaub verlegen wir also mit gutem Gewissen in den Winter und nutzen ihn für Bewegung.

Das ist doch nicht normal!?

Während ich das hier schreibe, liege ich im Schwimmbad (alleine wohlgemerkt - nach einer Woche Urlaub alleine mit allen Kindern, brauche ich das). Neben mir liegt eine Familie mit zwei Kindern. Bis vor kurzem haben alle geschlafen. Jetzt spielt eines der Kinder ruhig mit seinen Autos um den Liegen, während das andere gefüttert wird. Offenbar ist das möglich, auch wenn wir unseren Kindern in diesem Alter stets nachlaufen mussten und wir uns eigentlich nichtmal die Mühe machen mussten, eine Liege zu besetzen - wir haben es ohnehin nie geschafft darauf zu liegen.

Es ist egal, was „normal“ ist, wir können nur anerkennen und annehmen, dass unsere Familie eben so ist, wie sie ist. Und dann in unserer elterlichen Verantwortung die Entscheidungen treffen, die für uns passen. Und das wünsche ich allen Familien: Denn euer Urlaub oder Nicht-Urlaub soll euch das geben, was ihr braucht und nicht zu einem zusätzlichen Stressor werden.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit dem Familien WIP.

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